Diese vom Fahrzeug erhobenen Daten versetzen Hersteller, Händler, Versicherer und andere Marktteilnehmer in die Lage, den Autofahrern mehr Produkte und mehr Dienstleistungen passgenauer anzubieten, um ihnen Mobilität so angenehm, komfortabel, günstig und sicher wie möglich zu gestalten. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass all diese möglichen Anbieter gleichen Zugang zu den in den Fahrzeugen aufgezeichneten Informationen haben, was bislang noch nicht der Fall ist, wie die Experten beim Goslar Diskurs bemängelten.
Hintergrund bei der Entwicklung neuer Mobilitätsleistungen sind die Fortschritte durch die rasante Entwicklung der Digitalisierung. Ein am Markt bereits sehr erfolgreiches Beispiel für einen so entstandenen neuen Service für Autofahrer ist etwa der sogenannte Telematik-Tarif, den die HUK-COBURG seit rund einem Jahr für junge Fahrer in Deutschland flächendeckend anbietet. Dieses Produkt sei so etwas wie die logische Fortsetzung des begleiteten Fahrens, erläuterte Dr. Jörg Rheinländer, Vorstandsmitglied der HUK-COBURG, beim Goslar Diskurs. Mit dem Telematik-Angebot „Smart Driver“ können junge HUK-Kunden unter 25 Jahren bis zu 30 Prozent pro Jahr auf den Beitrag in der Kfz-Haftpflicht und -Kasko sparen, wenn sie dem Einbau einer Telematik-Box zustimmen, die während der Fahrt Daten zu Ort, Zeit, Geschwindigkeit, Beschleunigung, Bremsen und Lenken aufzeichnet. Aus diesen Daten wird dann ein Gesamtfahrwert errechnet, der die Höhe des Bonus bestimmt.
In dem „Smart Driver“-Tarif sieht Dr. Rheinländer ein ausgezeichnetes Exempel dafür, wie aus den in den Autos erhobenen Daten sinnvolle Angebote entstehen können. Die Akzeptanz dieses Produktes der HUK-COBURG sei ausgesprochen hoch – und dies nicht nur bei den jungen Leuten, sondern auch bei ihren Eltern, die in dem Alter zum Teil noch die Versicherungsentscheidung treffen. Dabei spiele sicher ebenfalls eine Rolle, dass der Telematik-Tarif mit einem automatischen Unfallalarm verknüpft sei, sagte der HUK-COBURG-Vorstand.
Dieses „smarte“ Produkt soll zudem den jungen Autofahrern die Möglichkeit eröffnen, ihren persönlichen Fahrstil im Hinblick auf sicheres und vorausschauendes Fahren zu überprüfen, betont die HUK-COBURG. So werde auch ein Beitrag zur Verbesserung der Verkehrssicherheit insgesamt geleistet. Das versprechen sich die Fachleute ja auch von den teilautomatisiert und selbstfahrenden Autos, die in absehbarer Zeit unsere Straßen bevölkern und die Zahl der Unfälle spürbar reduzieren sollen. In diesen Fahrzeugen fallen dann noch mehr fahrtbezogene Daten an als heute schon. Sie stellen den „Schatz der Zukunft dar“, verdeutlichten die Experten beim Goslar Diskurs. Denn aus diesen Daten lassen sich die Mobilitätsangebote der Zukunft schneidern.
Aus der Verarbeitung und Auswertung dieser Big Data werden ganz neue Geschäftsmodelle erwachsen, prognostizierte auch der Automobil- und Digitalexperte Stefan Gaul. Daher gebe es auch historisch gewachsene Interessenkonflikte in Bezug auf diese Daten, sagte Gaul, wie etwa zwischen den Automobilherstellern, den Versicherern, der Ersatzteilbranche, aber eben auch den Kunden. Denn sie alle wollen sich den Zugang zu den Geschäftsmodellen von morgen nicht verstellen lassen. Daher sei es wichtig, sich erst einmal zu vergegenwärtigen, wem diese beim Fahren erhobenen Daten eigentlich gehören und dann, wie sie verteilt werden, erklärte der Vizepräsident des ADAC, Ulrich Klaus Becker. Nach seiner Einschätzung haben sich die Autohersteller bislang kaum um Endkunden gekümmert. Das habe sich nun geändert, weil man merke, dass es um den Daten-Schatz gehe, so Becker. Er forderte, darauf zu achten, dass die in den Fahrzeugen erhobenen Daten als persönliche Daten definiert werden und dass der Zugang dazu diskriminierungsfrei organisiert sein müsse.
Dies bedeutet aus Beckers Sicht, dass abgesehen von den technischen Daten, die der Hersteller benötigt, alle anderen Informationen über das Fahrverhalten des Kunden den anderen Interessengruppen ebenfalls ohne Ungleichbehandlung zugänglich sein sollten. Dazu schwebt dem ADAC-Vize eine offene Telematik-Plattform vor, etwa in Form eines Shared Servers, wie Becker sagte, als ein Datennetz außerhalb der Automobilindustrie. Dort soll dann mit Zustimmung des Kunden auf dessen Daten zugegriffen werden können, etwa um einem Versicherer bestimmte Informationen zukommen zu lassen. Es gelte aufzupassen, dass in diesem Bereich nichts monopolisiert wird, warnte Becker.
Dieser Forderung schloss sich HUK-COBURG-Vorstand Dr. Rheinländer an: „Wir brauchen den freien Datenzugang, weil alles andere schlecht für den Verbraucher wäre“, argumentierte er. Denn nur bei einem freien Wettbewerb der Mobilitätsanbieter ohne Monopolstrukturen könne der Kunde gewinnen, stellte Dr. Rheinländer fest. Doch genau das funktioniert nach den Erfahrungen der Experten beim Goslar Diskurs bislang noch nicht. „Die Autohersteller wollen alles, nur nicht, dass die Daten frei sind, die ein Auto generiert“, berichtete Guido Reinking. Dabei gehörten die Daten eigentlich niemand anderem als dem Fahrer oder Halter des Fahrzeugs. Der müsse als Einziger bestimmen können, was mit seinen Daten passiert, postulierte Reinking. Wenn der Fahrer oder Fahrzeughalter diese Daten dann gegen ein gutes Angebot, wie etwa einen Telematik-Tarif oder günstigere Reifen, freigebe, sei das seine Entscheidung.
„Doch die Autohersteller sind auf keinen Fall gewillt, diese Daten herauszugeben, weil sie das Geschäft mit zusätzlichen Leistungsangeboten an die Autofahrer für sich selbst sichern wollen“, stellte der Automobilwirtschaftsexperte fest. Er äußerte sich jedoch grundsätzlich überzeugt davon, dass das Geschäft der Zukunft derjenige machen wird, der dem Endverbraucher das interessanteste Angebot unterbreiten kann. Denn dafür gebe der Kunde auch seine Daten preis, meinte Reinking.
Momentan können aber Versicherer noch nicht einmal aktiv auf Daten über Schadenereignisse zugreifen, wie sie in jenem von der EU vorgeschriebenen automatischen Notrufsystem „eCall“ für Kraftfahrzeuge u. a. anfallen, das ab Ende März 2018 in alle neuen Pkw und leichten Nutzfahrzeuge eingebaut sein muss, wie HUK-Vorstand Rheinländer kritisierte. Er berichtete von diesbezüglichen Gesprächen mit dem Verband der Automobilindustrie (VDA) und einzelnen Herstellern. Bei den Herstellern seien aber dabei die „Schotten relativ schnell dicht“, so Dr. Rheinländer, sobald es um Daten zu Leistungen gehe, die Versicherer auch anbieten: wie etwa Autoservice, Inspektion, Hauptuntersuchung oder Reifenwechsel. „Die Autohersteller wollen diese Daten vielleicht auch deshalb nicht herausgeben, weil sie Angst vor einem freien Wettbewerb haben“, meinte der HUK-Vorstand. Denn die Versicherer seien einfach viel dichter am Kunden, pflichteten ihm auch die anderen Teilnehmer am Goslar Diskurs bei.
Um für den Autofahrer der Zukunft vielfältige, zielführende Angebote zur Erleichterung der persönlichen Mobilität sicherzustellen, sprachen sich die Experten beim Goslar Diskurs unisono für einen diskriminierungsfreien Zugang zu den in den Fahrzeugen erhobenen Daten aus – nach Freigabe durch den Fahrer oder Fahrzeughalter. Ein fairer Wettbewerb müsse auch bei den künftigen neuen Mobilitätsangeboten gewährleistet sein, brachte es ADAC-Vize Becker auf den Punkt. Dann seien für die Zukunft etwa im Bereich autonomes Fahren auch Geschäftsmodelle denkbar, bei denen der Kunde, der ein selbstfahrendes Fahrzeug nur bei Bedarf nutzt, ohne es selbst zu besitzen, dafür mit seinen Daten bezahle, erklärte Reinking.