Es wird nicht mehr ewig dauern bis autonome Fahrzeuge zu unserem Alltag gehören. Ursprünglichen Zeitplänen zufolge sollten fahrerlose Autos eigentlich heute schon in Deutschland am Straßenverkehr teilnehmen können. Schließlich arbeiten Ingenieure und Autohersteller gemeinsam mit Elektronik- und Digitalisierungsexperten vieler Branchen nicht erst seit Kurzem daran, Systeme zum automatisierten und hochautomatisierten Fahren praxistauglich zu machen. Doch die Vorhaben waren wohl etwas zu ambitioniert: Die zu entwickelnde Technik aufseiten der Autohersteller einerseits, ebenso wie die entsprechende Anpassung der Rechtslage durch die Gesetzgeber, erwiesen und erweisen sich als komplexer und komplizierter als angenommen.

Immerhin, der notwendige Rechtsrahmen steht inzwischen, wie der ADAC einräumt: Im Mai 2021 stimmten Bundestag und Bundesrat einem Gesetz zu, demzufolge vollständig autonome Fahrzeuge in Deutschland grundsätzlich am öffentlichen Straßenverkehr teilnehmen können. Die dazugehörenden konkreten Ausführungsbestimmungen sollen nach und nach folgen.

So weit, so gut. Schließlich ist der Wettbewerb um die beste Technologie für das autonome Fahren weltweit voll entbrannt. Doch laut einer Studie des Wirtschaftsforschungsunternehmens Prognos sollen sich Autos, die vollkommen autonom von A nach B fahren, erst ab 2040 sukzessive durchsetzen. Diese Aussage begründen die Analysten vor allem damit, dass Autos im Mittel bis zu 20 Jahre im Einsatz sind – und sich neue Technologien dementsprechend nur allmählich im Gesamtbestand bemerkbar machen. Nach der Prognos-Studie im Auftrag des ADAC soll der Anteil an Neufahrzeugen, in denen der Fahrer auf allen Autobahnen die Fahraufgabe vollständig abgeben kann, im „optimistischen“ Fall von 2,4 Prozent im Jahr 2020 auf immerhin 70 Prozent im Jahr 2050 steigen. Ab 2030 werden demnach Pkw mit sogenanntem „Citypilot“, also der Fähigkeit, sowohl auf der Autobahn als auch in der Stadt allein zu fahren, allmählich auf den Straßen auftauchen.

Zuvor werden jedoch die Sicherheitsrisiken bei der Übernahme des Steuers durch den Fahrer in kritischen Situationen die Entwickler und Verkehrspsychologen weiter beschäftigen. Konkret widmeten sich die Wissenschaftler der TU Dresden und der DEKRA in ihrer aktuellen Studie der Frage, was geschieht, wenn etwa in einer kritischen Situation die Aufforderung zur Steuerübernahme durch das Fahrzeug ausbleibt. Schließlich kann bekanntlich jedes System fehlerhaft sein. Dementsprechend muss auch beim automatisierten Fahren die Möglichkeit in Betracht gezogen werden, dass von der Technik nicht jede Übernahmesituation korrekt erkannt und angezeigt wird. Diese Eventualität analysierten die Experten bei Testfahrten in vier verschiedenen Übernahmesituationen. Die Übernahme wurde jeweils als erfolgreich bewertet, wenn die fahrende Person vor Erreichen des potenziellen Kollisionspunktes die korrekte Übernahmehandlung ausführte.

Als Bilanz der Studie stellt Sebastian Pannasch, Professor für Ingenieurpsychologie der TU Dresden, fest, dass in kritischen Situationen eine korrekte Übernahme nicht gewährleistet ist. Denn es sei davon auszugehen, dass man sich beim automatisierten Fahren auf jeden Fall mit Nebenaufgaben beschäftigen werde, erläutert er. Dadurch nehme das Risiko beträchtlich zu, dass Fahrer in kritischen Situationen ohne Warnung nicht angemessen reagieren können, befürchtet der Fachmann aufgrund der Studienergebnisse. Hierbei unterstellt Pannasch, dass automatisierte Fahrzeuge nicht immer in der Lage sein werden, alle kritischen Situationen zu erkennen und zu melden. Dies bedeutet nicht mehr und nicht weniger, als dass noch einiges sicherheitstechnisch zu verbessern ist, bis die ersten selbstfahrenden Autos über unsere Straßen rollen.

Laut der Änderung des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) vom 21. Juni 2017, ist es in Deutschland zulässig, ein Kraftfahrzeug mittels hochautomatisierter Fahrfunktion („Level 3-autonomes Fahren“) zu betreiben. Die Entwicklung und Zulassung autonomer Autos erfolgen in mehreren Ausbaustufen. Dabei wird in fünf Level unterschieden: von Level 1 („Assistiertes Fahren“), bei dem der Fahrer selbst fährt, aber bei einzelnen Fahraufgaben durch entsprechende Assistenzsysteme unterstützt wird, bis Level 5 („Autonomes Fahren“). In dieser Entwicklungsstufe übernimmt das Fahrzeug sämtliche Fahraufgaben komplett alleine. Hier ist nicht vorgesehen, dass ein menschlicher Fahrer eingreift.

Bis jetzt ist in Deutschland maximal Level 3 („Hochautomatisiertes Fahren“) möglich: Dabei kann das Auto selbstständig, d. h. ohne menschlichen Eingriff, fahren, sofern die Bedingungen herrschen, die der Hersteller vorgibt. Ist der hochautomatisierte Modus aktiv, darf der Fahrer sich vom Fahrgeschehen abwenden und seine Aufmerksamkeit anderen Dingen zuwenden. Erkennt das System ein Problem, ertönt ein Signal und der Fahrer muss umgehend das Steuer übernehmen. § 1b Abs. 1 StVG erlaubt es dem Fahrzeugführer, gemeint ist die Person, die die hochautomatisierte Fahrfunktion aktiviert, sich vom Verkehrsgeschehen und der Fahrzeugsteuerung abzuwenden, wenn das Fahrzeug selbstständig fährt. Er muss aber jederzeit in der Lage sein, wieder die Kontrolle zu übernehmen, insbesondere wenn das automatisierte System ihn dazu auffordert oder er selbst erkennt, dass die Situation eine manuelle Fahrzeugsteuerung erfordert.

Deshalb ist es wichtig, dass eine sichere Übernahme der Fahrfunktion durch den Fahrzeugführer in kritischen Situationen gewährleistet ist. Laut der Studie der TU Dresden und der DEKRA zu diesem Thema, gibt es hier jedoch noch Luft nach oben – insbesondere in Fällen, wenn das automatisierte System in einer kritischen Situation nicht warnt. Dann sind Menschen bislang offenbar nur teilweise in der Lage, das Steuer schnell und sicher zu übernehmen.

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