Grundsätzlich liegt Fahrlässigkeit vor, wenn ein Schaden entsteht, weil jemand die von ihm zu erwartende Sorgfalt vermissen ließ. Doch wie grenzt sich dabei leichte von grober Fahrlässigkeit ab? Bei dieser Unterscheidung ist auch das höchste Gericht in Deutschland, der Bundesgerichtshof, nicht wirklich hilfreich. Denn mit seiner Definition von grober Fahrlässigkeit als eine Handlung, die objektiv schwer und subjektiv unentschuldbar gegen die im konkreten Fall gebotene Sorgfalt verstößt, können – wenn überhaupt – nur die Rechtsgelehrten etwas anfangen. Einfacher unterscheiden lässt sich zwischen leichter und grober Fahrlässigkeit, wenn man einen Schaden unter „kann ja mal vorkommen“ oder „das darf nicht passieren“ einordnet. Im ersten Fall handelte man dann leicht, im zweiten grob fahrlässig. Fahrlässigkeit setzt übrigens immer voraus, dass das Verhalten vermeidbar gewesen wäre und die Folgen der Unachtsamkeit oder Nachlässigkeit absehbar waren, wie der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) erläutert.

Doch was bedeutet das für die Praxis? Dazu ein Beispiel: Wer einen Weihnachtsbaum mit brennenden Kerzen kurz unbeaufsichtigt lässt, um etwa auf Toilette zu gehen, handelt noch nicht grob fahrlässig. Verlässt die Person hingegen für längere Zeit das Zimmer, etwa um mit einem Freund zu telefonieren, dann schon. Die Differenzierung zwischen leichter und grober Fahrlässigkeit richtet sich also nach der Schwere der Mitschuld des Schadensverursachers. Grob fahrlässig handelt immer, wer ein kapitales Fehlverhalten an den Tag legt nach dem Prinzip „wie kann man nur“. Als typische Beispiele für grob fahrlässiges Verhalten von Autofahrern gilt etwa das Überfahren einer roten Ampel oder die Beschäftigung mit dem Handy während der Fahrt. Gleiches trifft für das Ignorieren eines Stopp-Schildes oder Einschlafen am Steuer zu – im zweiten Fall allerdings nur, wenn der Fahrer durch eindeutige Anzeichen von Übermüdung hätte gewarnt sein müssen.

Die Differenzierung beim letztgenannten Beispiel macht deutlich, warum es zwischen Versicherten und Versicherungen häufig zu Unstimmigkeiten bei dem Thema Fahrlässigkeit kommt. Diese münden vielfach in unerfreulichen Rechtsstreitigkeiten vor Gericht. Deshalb empfiehlt es sich, vor dem Abschluss eines Versicherungsvertrages ins Kleingedruckte zu schauen. Findet sich dort der Passus, dass der Versicherer gegebenenfalls auf den „Einwand der grob fahrlässigen Herbeiführung des Schadens“ verzichtet, wie es im Juristendeutsch heißt, dann kann der Kunde darauf vertrauen, dass es bei der Regulierung eines Schadens keine Diskussionen gibt.

Eine Kfz-Haftpflichtversicherung leistet übrigens in jedem Fall: Opfer eines Verkehrsunfalls erhalten somit selbst dann eine Entschädigung von der gegnerischen Versicherung, wenn der Verursacher betrunken Auto gefahren ist, wie der GDV feststellt. Demnach hat der Kfz-Haftpflichtversicherer allerdings in solchen Fällen die Möglichkeit, den Verursacher des Schadens bis zu 5.000 Euro in Regress zu nehmen. Eine Kaskoversicherung wiederum kann bei grober Fahrlässigkeit die Begleichung des Schadens beim Versicherten verweigern. Der Unfallverursacher bleibt dann auf den Kosten seines eigenen Schadens sitzen. Deshalb raten Experten, unbedingt eine Kfz-(Kasko)-Versicherung abzuschließen, die auch grobe Fahrlässigkeit abdeckt.

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