Das Corona-Virus hat auch die Bustouristikbranche massiv getroffen, weil touristische Busreisen aus Pandemiegründen monatelang nicht möglich waren. Ungeachtet dessen erfreuen sich Reisen mit dem Bus jedoch großer Beliebtheit, nicht nur bei Senioren und Reisegruppen, wie die Branche berichtet. Das liegt demnach nicht zuletzt auch daran, dass diese Art zu reisen in den vergangenen Jahren immer bequemer und auch sicherer geworden ist. Laut statistischem Bundesamt ist der Bus das sicherste Verkehrsmittel auf deutschen Straßen. Und auch andere Studien kommen zu dem Resultat, dass der Fernbus auf die geringste Anzahl an tödlichen Unfällen kommt und somit Auto und Motorrad in puncto Sicherheit deutlich abhängt. Zudem nehmen die deutschen Busunternehmer für sich in Anspruch, im europäischen Vergleich über die jüngste, modernste und damit sicherste Fahrzeugflotte zu verfügen. 

Doch von Zeit zu Zeit machen spektakuläre Busunfälle Schlagzeilen und kosten leider auch häufig Menschenleben. Wie es dazu kommen kann, hat die Unfallforschung der Versicherer (UDV) in einer Studie unter die Lupe genommen. Danach kann auch der nominell sicherste Reisebus, der mit allen zeitgemäßen elektronischen Fahrsicherheits-Assistenten ausgestattet ist, schnell zur Falle für die Passagiere werden. Speziell dann, wenn ein Reisebus umkippt und auf der Seite seiner Türen landet oder diese Ausgänge sich aus anderen Gründen nicht öffnen lassen. In solchen Fällen sei es für die Insassen schwierig bis unmöglich, das Fahrzeug aus eigener Kraft zu verlassen, warnt die UDV. Ausgenommen davon sind aus Sicht der Unfallforscher lediglich ausgesprochen sportliche Zeitgenossen. 

„Vor allem, wenn nicht auf Hilfe durch Rettungskräfte gewartet werden kann, beispielsweise bei Brand oder Rauchentwicklung, sitzen die Menschen in der Falle“, erklärt der Leiter der UDV, Siegfried Brockmann. Er betont zwar, dass solche Ereignisse selten seien. Dennoch müssten Gesetzgeber und Bushersteller die Erkenntnisse der Studie umgehend umsetzen, fordert der Sicherheitsexperte. 

Die UDV moniert auf der Basis von einschlägigen Versuchen, Befragungen und technische Analysen insbesondere Defizite beim Evakuieren von Passagieren durch die Türen. Hier seien verbindliche Vorgaben erforderlich für die Zeit, innerhalb derer bei einem Notfall die Insassen einen Bus räumen können, wie sie für Flugzeug, Bahn und Schiff selbstverständlich sind, fordert die UDV. Zum besseren Verständnis: Für die Musterzulassung von Flugzeugen müssen deren Hersteller nachweisen, dass alle Passagiere innerhalb einer definierten Zeit evakuiert werden können, auch wenn nur die Hälfte aller Notausgänge zur Verfügung steht. Bei Verkehrsflugzeugen beträgt diese Zeitspanne zum Beispiel 90 Sekunden.

Sobald ein Bus schräg liegt und seine Türen blockiert sind, wird eine solche Evakuierung hingegen problematisch, wie die Unfallforscher bei Tests feststellten. Denn dann können nach ihren Erfahrungen ohne turnerische Qualitäten weder die Seitenscheiben noch die Dachluken genutzt werden. Die Frontscheibe steht demnach als Notausstieg ebenfalls nicht zur Verfügung, weil sie aus Verbundglas besteht und nicht mit einem Not-Hammer zerschlagen werden kann. Und ein Entkommen über das Heckfenster werde mitunter durch Sonderanbauten wie Ski- oder Fahrradträger versperrt, stellten die Forscher fest. Sie bemängeln zudem das Abschnallen und die Fortbewegung in einem auf der Seite liegenden Bus als ausgesprochen schwierig.

Konkret schlägt die UDV zur Verbesserung der Sicherheit von Reisebus-Passagieren vor, die bei vielen Herstellern bereits optional verfügbaren und aus dem Pkw bekannten Dreipunktgurte statt der kostengünstigeren Zweipunktgurte zu installieren. Außerdem plädieren die Unfallforscher für breitere Gänge zwischen den Sitzreihen sowie für Lichtleisten, die zu den nächstgelegenen Notausstiegen führen. Darüber hinaus sollen die Dachluken quer statt längs eingebaut werden, um ein Verlassen des Busses auf diesem Weg zu erleichtern. Außerdem dürfe die Heckscheibe niemals von außen versperrt sein, fordert die UDV.

Als wichtigste konstruktive Maßnahme für beinahe alle erdenklichen Endlagen des Busses nach einem Unfall hebt Experte Brockmann hervor, dass sich die Frontscheibe für den Ausstieg von innen entfernen lässt. Dies soll demnach durch einen Druckschlauch oder eine Sprengschnur entlang der Klebenaht möglich sein. Dann könnten nämlich auch ältere und unsportliche Insassen auf diesem Weg den Bus gut verlassen.

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