Exakte statistische Aussagen, wie viele Unfälle und Tote tatsächlich auf Handynutzung am Steuer zurückzuführen sind, gibt es nicht. Denn in der Praxis ist nur schwer zu beweisen, dass ein Autofahrer mit seinem Handy beschäftigt war, bevor er einen Unfall verursachte. Auch lässt sich vielfach kaum der Nachweis führen, ob die Ablenkung ursächlich für den Unfall war. Dennoch steht für Experten außer Frage, dass Handys am Steuer höchst gefährlich, ja sogar lebensgefährlich sind. 

Dessen ungeachtet machen viele Verkehrsteilnehmer tagtäglich Erfahrungen mit Fahrzeuglenkern, deren Aufmerksamkeit mehr dem Smartphone gehört als der jeweiligen Verkehrssituation. Und gefühlt wächst die Zahl derjenigen, die man im Straßenverkehr mit dem Handy am Ohr beobachten kann bzw. muss. Offenbar herrscht bei immer mehr Fahrern Ignoranz gegenüber den berechtigten Warnungen vor den Folgen der Handynutzung am Steuer vor. 

So haben in den USA Studien inzwischen ergeben, dass immer mehr Fahrzeuglenker ihr Handy während der Fahrt benutzen und dass deshalb immer mehr Unfälle mit dem Auto passieren. Diese Untersuchungen seien zwar nicht eins zu eins auf die Verkehrssituation in Deutschland übertragbar, schränken heimische Fachleute ein. Doch sie sind sich weitestgehend darin einig, dass immer mehr Unfälle und Verkehrstote auch hierzulande dem Gebrauch von Handys am Steuer geschuldet sind.

Selbst die Strafen, die auf dieses Vergehen stehen, und die Sanktionen, die bei einem Unfall wegen nachweislicher Handynutzung am Steuer folgen können, schrecken offenbar immer weniger Fahrer von dieser riskanten Unsitte ab. Immerhin droht mindestens ein Bußgeld von 100 Euro und ein Punkt in Flensburg, wenn man während der Fahrt telefoniert oder Nachrichten auf dem Smartphone checkt. Kommt es durch die Verwendung von elektronischen Geräten am Steuer zu einem Unfall mit Sachschaden, sieht der Bußgeldkatalog ein Bußgeld in Höhe von 200 Euro, zwei Punkte in Flensburg sowie einen Monat Fahrverbot vor. Darüber hinaus muss bei einem Unfall ein Handynutzer mindestens mit einer Teilschuld rechnen. Und er kann davon ausgehen, dass sich die Kasko-Versicherung in einem solchen Fall weigert, den Schaden am eigenen Fahrzeug zu übernehmen. Begründung: Fahrlässigkeit.

Vor dem Hintergrund dieser Entwicklung hat nun die rheinland-pfälzische Landesregierung ein Pilotprojekt zur Erkennung von Ablenkungsverstößen durch Handynutzung im Straßenverkehr gestartet. Mit innovativer Technik, die bereits von der niederländischen Polizei erprobt wurde, sollen künftig Handysünder gezielt aufgespürt und überführt werden. Dabei folge Rheinland-Pfalz dem Leitgedanken der europäischen Verkehrspolizeien ROADPOL, die Zahl der Verkehrstoten auf null reduzieren zu wollen, erklärte Landesinnenminister Roger Lewentz bei der Vorstellung des Projekts in Mainz.

Kern des in den Niederlanden entwickelten und bereits erfolgreich getesteten Systems MONOcam ist eine neuartige Kamera, die wie bei den bekannten Abstands- und Geschwindigkeitsüberwachungsanlagen den Verkehrsfluss aus einer erhöhten Position beobachtet. Dabei fokussiert das System speziell auf Mobiltelefone im Bereich des Fahrers sowie auf eine entsprechende typische Handhaltung. Sind diese beiden Kriterien erfüllt, löst die Kamera aus und dokumentiert den Vorgang fotografisch – wie bei einem Tempoverstoß. Anschließend bewerten speziell darauf geschulte Polizeibeamte das festgestellte Delikt und gegebenenfalls folgt ein entsprechender Bußgeldbescheid.

Um Verkehrsunfälle aufgrund von Ablenkung zu reduzieren, beschäftigt sich im Polizeipräsidium Trier eine landesweite Arbeitsgruppe seit dem Sommer 2021 mit der Verfügbarkeit und dem Einsatz technischer Geräte zur Erkennung solcher Verstöße. Rheinland-Pfalz ist das erste Bundesland, das die innovativen Blitzer gegen Handysünder einsetzt, um die Verkehrssicherheit zu fördern. Denn wenn ein Autofahrer bei einer Geschwindigkeit von 100 Kilometern pro Stunde nur eine Sekunde auf sein Handy schaut, legt er 30 Meter „im Blindflug“ zurück, ohne ein plötzliches Ereignis oder Hindernis wahrnehmen zu können, macht Minister Lewentz die Notwendigkeit der eingeleiteten Maßnahmen deutlich. 

Inzwischen sollen auch andere Bundesländer an dem neuen System Interesse zeigen. So könnte sich etwa das bayerische Innenministerium dem Vernehmen nach die Einführung eines solchen Handy-Blitzer-Systems ebenfalls vorstellen. Doch zunächst sollen die Erfahrungen aus der Testphase in Rheinland-Pfalz ausgewertet und dann auf der Innenministerkonferenz im Herbst präsentiert werden.

Links

Den Recherche-Tipp jeden Mittwoch als E-Mail

Hinweise zum Datenschutz: Bei der Anmeldung werden verschiedene personenbezogene Daten erhoben. Personenbezogene Daten sind Daten, mit denen Sie persönlich identifiziert werden können. Die Datenschutzerklärung erläutert, welche Daten wir erheben und wofür wir sie nutzen. Sie erläutert auch, wie und zu welchem Zweck das geschieht. Die Austragung aus unseren Verteilern ist jederzeit mit einer formlosen E-Mail an info@goslar-institut.de möglich.