Assistenzsysteme in Kraftfahrzeugen sind elektronische Einrichtungen, die den Fahrer ganz allgemein bei der Bedienung dieser Maschine unterstützen bzw. entlasten und ihn vor gefährlichen Situationen bewahren sollen. Der bekannteste dieser elektronischen Helfer ist sicherlich das Antiblockiersystem (ABS). Inzwischen gehören aber auch der Bremsassistent (BAS), der Abstandsregeltempomat (Adaptive Cruise Control – ACC) und Automatische Notbremssysteme (AEBS) nicht mehr allein zur Sonderausstattung von hochpreisigen Autos, sondern haben wegen ihrer sicherheitsfördernden Wirkung zunehmend Einzug auch in „normale“ Fahrzeuge gehalten. Eine ganz wesentliche Aufgabe der Fahrassistenten besteht darin, Unfälle zu vermeiden – so wie etwa der Müdigkeitswarner dem gefürchteten Sekundenschlaf vorbeugen soll.

Da diese elektronischen Systeme in der Regel weitgehend problemfrei ihren Dienst versehen, fördern sie allerdings die nur allzu menschliche Tendenz von Fahrern, sich auf die Funktionstüchtigkeit der Fahrassistenten zu verlassen. Das bedeutet andersherum, dass Fahrzeuglenker in kniffligen Situationen zusätzlich unangenehm überrascht werden können, wenn der Assistent nicht wie erwartet routinemäßig helfend eingreift. Dann können ohnehin schon riskante Ereignisse im Straßenverkehr zusätzlich eskalieren.

„Assistenzsysteme müssen über viele Jahre hinweg zuverlässig funktionieren“, stellt Dr. Matthias Schubert fest, der beim TÜV Rheinland für das globale Mobilitätsgeschäft verantwortlich zeichnet. Nach seiner Einschätzung ist allerdings noch viel zu wenig darüber bekannt, wie sich Unfälle, unsachgemäße Reparaturen oder Verschleiß langfristig auf die Funktionsfähigkeit von Assistenzsystemen und damit auf die Sicherheit im Straßenverkehr auswirken. Deshalb untersuchten TÜV Rheinland und TRL, unter welchen Umständen Spurhaltesysteme möglicherweise nur noch eingeschränkt funktionieren – und welche Folgen das für die Sicherheit auf den Straßen haben kann.

Zu diesem Zweck präparierten die Experten vom TÜV Rheinland ein Testfahrzeug, das über ein hochmodernes Spurhalteassistenzsystem (Lane Keeping Assistent – LKA) verfügte, indem sie etwa Beschädigungen der Windschutzscheibe im Bereich der LKA-Kamera simulierten, außerdem eine fehlerhafte Kalibrierung der Kameras nach Austausch der Windschutzscheibe sowie Unterbrechungen der Datenkommunikation im Fahrzeug während der Fahrt. Darüber hinaus mussten Systemkomponenten eine künstliche Alterung über sich ergehen lassen.

Mit diesem modifizierten Testwagen begaben sich die Sachverständigen auf eine Versuchsstrecke in Ungarn und verglichen dabei, wie sich der veränderte Pkw in verschiedenen Streckenabschnitten – Kurve und Gerade – verhielt. Bei den Tests wurden speziell Situationen simuliert, bei denen weder Kontrollleuchten noch irgendwelche Warnsysteme aktiv waren. Als Ergebnisse ihrer Versuche notierten die Fachleute zum Beispiel, dass sich die Funktion des Spurhalteassistenten bei simulierten Steinschlägen in der Windschutzscheibe verschlechterte und in einigen Fällen sogar ohne Vorwarnung abschaltete. Außerdem stellten die Tester fest, dass das Assistenzsystem aufgrund der Modifizierungen nicht vor einem Überfahren der Fahrbahnmarkierung warnte bzw. darauf reagierte. Und bei der provozierten Kontaktunterbrechung in der Datenleitung des Pkws während der Fahrt deaktivierte sich der Assistent sofort, wie der TÜV Rheinland berichtet.

„Die spontane Abschaltung des Systems wird dann problematisch, wenn der Fahrende in diesem Moment nicht voll konzentriert ist oder die Hände nicht fest am Lenkrad hat, weil sie oder er sich vollständig auf das System verlassen hat“, kommentiert Rico Barth, globaler Leiter des Kompetenzbereichs vernetztes und automatisiertes Fahren beim TÜV Rheinland, die Versuchsresultate. Gleichzeitig warnt er davor, dass die zunehmende Verbreitung von Fahrassistenzsystemen dazu führe, dass wir uns immer mehr auf die elektronischen Helfer verlassen. Dann könne schnell ein sogenanntes Risikoereignis eintreten, wenn etwa ein gealtertes Spurhalteassistenzsystem nicht wie vorgesehen funktioniere, mahnt der TÜV.

Vor diesem Hintergrund fordern die technischen Prüfer, regelmäßige Kontrollen der Fahrassistenzsysteme in Fahrzeugen auf ihre Funktionstüchtigkeit und Zuverlässigkeit vorzuschreiben. Zumal aus Sicht des TÜV Rheinland die technische Entwicklung und geänderte rechtliche Regelungen rasch zu einer weiten Verbreitung von Fahrassistenzsystemen führen werden. Wie gut ein technisches System auf Dauer funktioniert, kann jedoch nur eine regelmäßige Wartung und technische Überprüfung zeigen, betont TÜV-Experte Schubert. Dafür sei auch der Zugang zu den Systemdaten für unabhängige Dritte im Rahmen der wiederkehrenden Hauptuntersuchungen wichtig, fügt er hinzu.

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