Eine generelle Regelung zum Schutz vor Straßenverkehrslärm gebe es in Deutschland nicht, stellt das Umweltbundesamt fest. Lediglich beim Neubau oder bei wesentlichen Änderungen an einer Straße sind demnach zum Lärmschutz Immissionsgrenzwerte festgelegt. Das ist umso erstaunlicher, als nach überschlägigen Berechnungen der Umweltbehörde etwa die Hälfte der bundesdeutschen Bevölkerung tagsüber Straßenverkehrslärm mit mittleren Pegeln von mindestens 55 dB(A) bzw. 45 dB(A) nachts ausgesetzt sein soll. Rund 2,5 Millionen Menschen hierzulande müssen demnach sogar 65 dB(A) aushalten. Zur besseren Einordnung: Das kommt in etwa dem Lärm in einer gut gefüllten Kantine gleich.

Das sind Lärmbelastungen, die Stress verursachen und die Gesundheit gefährden, sind sich Mediziner sicher. Entsprechend nimmt auch das Umweltbundesamt an, dass rund 4.000 Herzinfarkte jährlich in Deutschland dem Verkehrslärm geschuldet sind. Lärm aktiviert das autonome Nervensystem und das hormonelle System. Infolgedessen kommt es zu Veränderungen bei Blutdruck, Herzfrequenz und anderen Kreislauffaktoren. Als mögliche Langzeitfolgen chronischer Lärmbelastung warnt das UBA neben Gehörschäden auch vor Änderungen bei biologischen Risikofaktoren – wie etwa Blutfette, Blutzucker, Gerinnungsfaktoren – sowie Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie arteriosklerotische Veränderungen („Arterienverkalkung”), Bluthochdruck und bestimmten Herzkrankheiten, einschließlich Herzinfarkt. Neueren Studien aus der Schweiz zufolge soll Verkehrslärm auch den Insulinstoffwechsel negativ beeinflussen und so Diabetes auslösen können. Laut dieser sogenannten SiRENE-Studie (SiRENE: Short and Long Term Effects of Transportation Noise Exposure) des Schweizerischen Nationalfonds (SNF) soll das Risiko, an einem Herzinfarkt zu sterben, um 4 Prozent pro 10 Dezibel Zunahme der Straßenlärmbelastung am Wohnort steigen.

Und was konkret verursacht den Straßenlärm? Die Lärmbelastung werde im Wesentlichen durch die Verkehrsstärke und die Lärmemissionen der Fahrzeuge bestimmt, erklärt das Umweltbundesamt. Letztgenannte gehen hauptsächlich zurück auf die Antriebsgeräusche der Fahrzeuge, also von Motor, dem Ansaug- und Abgastrakt und dem Getriebe, sowie das Geräusch, das die Reifen auf der Fahrbahn verursachen. Die Intensität der Reifen-Fahrbahn-Geräusche wiederum ist abhängig von der Geschwindigkeit des Kraftfahrzeugs sowie der Beschaffenheit von Reifen und Fahrbahn. Um für Abhilfe aufseiten der Reifen zu sorgen, führte die EU im Jahr 2001 erstmals Grenzwerte für das Rollgeräusch von Reifen ein. Diese Grenzwerte wurden 2009 verschärft und seit November 2012 muss auf Reifen neben dem Kraftstoffverbrauch und der Nasshaftung auch die Geräuschklassifizierung des Pneus auf einem Label angeben werden. So sollen Verbraucher beim Kauf neuer Reifen deren Umwelteigenschaften besser beurteilen können. Laut UBA liegt der Einfluss marktüblicher Reifen auf die Lärmemission bei etwa drei bis vier dB(A).

Zu weiteren technischen Maßnahmen, um die Lärmverursachung von Fahrzeugen zu vermindern, gehören z.B. die Konstruktion und Kapselung der Motoren – insbesondere bei Bussen und Lkw. Nach Einschätzung des Umweltbundesamtes lässt sich eine deutliche Minderung des Straßenverkehrslärms aber nur durch eine Vielzahl aufeinander abgestimmter Einzelinstrumente erreichen: von der Fahrzeugtechnik über das Steuerrecht bis zur Verkehrsplanung. Zunächst müsse Verkehr vermieden werden, fordert die Bundesbehörde, bzw. auf umweltschonendere Verkehrsmittel (Fahrrad, Bus, Straßenbahn, Bahn) verlagert werden. Erst zuletzt sollten demnach die Lärmwirkungen durch technische Maßnahmen vermindert werden. Technische Minderungsmaßnahmen an der Lärmquelle sollten laut UBA, da flächendeckend wirksam, Vorrang vor nur lokal wirksamen Maßnahmen wie Lärmschutzwänden, -wällen oder -fenstern haben.

Aber auch jeder Kraftfahrer kann zur Reduktion von Verkehrslärm beitragen: indem man Fahrzeugmotoren nicht unnötig laufen lässt, unnötiges Hin- und Herfahren innerhalb geschlossener Ortschaften sowie unnötiges Beschleunigen der Fahrzeuge vermeidet. In dem Zusammenhang appelliert etwa der Verkehrsclub Deutschland (VCD) an die verantwortlichen Politiker in Deutschland wie in der EU, ökonomische Anreize für lärmarmes Verhalten bzw. für den Kauf lärmarmer Kraftfahrzeuge zu schaffen und eine nachhaltige Mobilitätserziehung zu fördern. Außerdem plädiert der VCD für eine Verschärfung der EU-weiten Grenzwerte für alle Umgebungslärmquellen. Mit solchen Maßnahmen lässt sich dann vielleicht auch das von der Bundesregierung in dem Nationalen Verkehrslärmschutzpaket von 2009 beschlossene Ziel erreichen, den Straßenlärm bis 2020 um 30 Prozent zu senken.

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