Allerdings stellte der EuGH ebenfalls fest, dass diese Praxis auch ausnahmsweise erlaubt sein kann: etwa in dem Fall, dass der nationale Gesetzgeber eine entsprechende Ausnahme zulässt. Dies trifft für Deutschland zu, da das Bundesdatenschutzgesetz eine solche Klausel enthält.
Von der Schufa haben die meisten Menschen schon einmal gehört, aber viele keine dezidierte Vorstellung, was sich hinter diesem Begriff verbirgt. Spätestens jedoch, wenn man einen Kredit bei seiner Bank aufnehmen oder etwa einen Vertrag mit einer Versicherung abschließen will, kommt die privatwirtschaftliche Auskunftei ins Spiel. Dann wird auch die Bedeutung oder gar Macht der „Schutzgemeinschaft für allgemeine Kreditsicherung“ deutlich. Denn ihre Bewertung der Bonität einer Person, sprich der Wahrscheinlichkeit, dass der oder die Betroffene finanziellen Verpflichtungen nachkommen kann, ist vielfach mit ausschlaggebend dafür, ob ein Vertrag zustande kommt oder nicht.
Um die Schufa kommt niemand herum
Gleich ob es dabei um die Anschaffung eines neuen Computers auf Raten oder den Abschluss eines Mietverhältnisses geht, eine positive Bonitätsbewertung der Schufa ist meist eine wesentliche Voraussetzung hierfür. Senkt sich hingegen der Daumen der Begutachter, geht für die Betroffenen in der Regel nichts mehr. Das nennt „der Spiegel“ die „unheimliche Macht der Schufa“. Und gegen diese sowie gegen die Datensammelleidenschaft der Organisation wird immer mehr Kritik laut. Dabei geht es auch um die Häufigkeit von Fehlern und Irrtümern der Auskunftei – und nicht zuletzt um fehlende Transparenz in Bezug auf das Zustandekommen der Schufa-Scorings.
Dieser eingespielten Praxis habe der Europäische Gerichtshof nun Grenzen gesetzt, urteilten Beobachter nach dem Luxemburger Richterspruch. Das EuGH-Urteil stelle die Weichen für ein verbrauchergerechtes Bonitäts-Scoring, kommentierte etwa der Verbraucherzentrale Bundesverband (Vzbv) die Entscheidung des obersten Rechtsprechungsorgans der EU. Bundesverbraucherschutzministerin Steffi Lemke sieht dadurch ebenfalls die Rechte der Verbraucher beim Scoring gestärkt. Und auch die Schufa begrüßte das Urteil, da es für Klarheit sorge, wie die Scores in den Entscheidungsprozessen von Unternehmen im Sinne der DSGVO verwendet werden dürfen.
Wie wirkt sich veränderte Rechtslage nun auf Versicherer aus, eine wichtige Kundengruppe der Schufa? Dazu meint Rechtsanwältin Shuyue Chen von der Kölner Kanzlei Segger Law im „Versicherungsmonitor“, Versicherer müssten künftig das Risiko beachten, dass ein datenschutzrechtlicher Verstoß in dem Scoring-Verfahren die Rechtswidrigkeit eines kompletten Entscheidungsprozesses auslösen könne. Mit der neuen Entscheidung hätten die Unternehmen ihre Verfahren und die Zusammenarbeit mit Auskunfteien möglicherweise zu überdenken, folgert die Juristin.
Sie stellt zudem fest, dass durch die EuGH-Entscheidung in dem Fall, dass die Ermittlung der Scores und das Treffen der Entscheidung (über einen Vertrag) bei zwei unabhängigen Beteiligten liegen, die datenschutzrechtlichen Verpflichtungen der Wirtschaftsauskunftei auferlegt werden. Nun bleibe zunächst abzuwarten, welche Maßnahmen die Auskunfteien zur datenschutzrechtlichen Compliance ergreifen werden, erklärt Chen.
Auskunfteien dürften Compliance-Pflichten an Versicherer weiterreichen
Die Expertin erwartet, dass die Auskunfteien Versicherern vorschlagen werden, diese sollten künftig von Kunden die Einwilligung zur automatisierten Entscheidung einholen und den Anspruch der Kunden auf Auskunft über die von ihm/ihr gespeicherten Daten erfüllen. Für ein Versicherungsunternehmen, das eine Auskunftei mit der Score-Berechnung beauftragt, würde dies künftig die Verpflichtung bedeuten, den Entscheidungsprozess durch Berücksichtigung anderer Daten neben den Score-Werten zu vervollständigen und die letztliche Entscheidung durch Menschen treffen zu lassen, erläutert die Anwältin. Und da eine Auskunftei in aller Regel keine eigene vertragliche Beziehung zu der zu bewertenden Person und damit auch keine Möglichkeit hat, diese über ihren Anspruch auf Auskunft über die gespeicherten Personaldaten zu belehren sowie ihr auf Verlangen darüber Auskunft zu erteilen, bleibe den Scorern ebenfalls nur der Ausweg, die Pflicht zur Belehrung über den Auskunftsanspruch des Kunden dem Versicherungsunternehmen aufzuerlegen.
Um die Rechtmäßigkeit des gesamten Entscheidungsverfahrens zu gewährleisten, rät Anwältin Chen daher den Versicherern, sich mit den Auskunfteien hinsichtlich der zu ergreifenden Maßnahmen im Einzelnen abzustimmen. Die Expertin bewertet die durch das Schufa-Urteil verschärften Vorgaben zwar als Herausforderung, sieht in ihnen aber auch die Chance, die Datenverarbeitung und -weitergabe den Kunden gegenüber transparenter und rechtssicherer zu gestalten.
Verbraucherberater empfehlen Kunden derweil, mindestens einmal im Kalenderjahr eine unentgeltliche Auskunft bei Unternehmen und Auskunfteien wie Schufa, Creditreform, Crif, Informa Solution und anderen einzuholen, um sich einen Überblick über das eigene kursierende Profil zu verschaffen. Dabei können die Konsumenten erfragen, welche personenbezogenen Daten zu welchem Zweck dort gespeichert sind, woher sie stammen und an wen sie weitergegeben werden. Und sie können zudem die Namen der Unternehmen erfragen, an die diese Daten weitergegeben wurden, so die Verbraucherzentrale.
Links
- https://www.deutschlandfunk.de/schufa-score-eugh-urteil-100.html
- https://www.tagesschau.de/wirtschaft/verbraucher/schufa-score-eugh-100.html
- https://www.vzbv.de/pressemitteilungen/eugh-stellt-weichen-fuer-verbrauchergerechtes-bonitaets-scoring
- https://www.verbraucherzentrale.de/wissen/digitale-welt/datenschutz/scoring-mit-kundendaten-so-verlangen-sie-auskunft-bei-schufa-co-12756