Wissen Sie, was „Shrinkflation“ ist? Viele mögen den Begriff zunächst nicht kennen, doch das Phänomen, das er beschreibt, ist den meisten Verbrauchern nur allzu vertraut. Das sogenannte Kofferwort setzt sich zusammen aus dem englischen Verb „shrink“, zu Deutsch schrumpfen, und dem Wirtschaftsterminus Inflation. Shrinkflation steht somit für „Inflation durch Schrumpfung“ und bezeichnet die Strategie, die Größe bzw. die Menge eines Produkts zu reduzieren, während der Preis gleich bleibt oder sogar steigt. Der deutsche Volksmund spricht hierbei von „Mogelpackungen“.
Viel Luft und doppelter Boden
Im Alltag stellen Verbraucher meist erst bei genauem Hinsehen fest, dass sie Opfer der Mogelpackungstaktik von Herstellern bzw. Anbietern wurden. Denn die gehen äußerst geschickt vor: Um mehr Inhalt vorzugaukeln, umgeben etwa Lebensmittelproduzenten ihre Produkte mit unverhältnismäßig viel Luft, arbeiten mit doppelten Böden, großen Deckeln, dicken Wandungen oder schlicht überdimensionierten Umkartons, wie Verbraucherorganisationen immer wieder feststellen müssen. Laut Mess- und Eichgesetz sind solche Täuschungsmanöver eigentlich verboten. Doch in Supermarktregalen finden sich immer mehr Mogelpackungen, wie der Verbraucherzentrale Bundesverband (Vzbv) klagt.
Seit Jahren sammelt etwa die Verbraucherzentrale Hamburg (VZHH) regelmäßig Beispiele dafür, wie Unternehmen mittels Shrinkflation versteckte Preiserhöhungen vornehmen. Da enthält etwa eine Margarine-Packung anstatt wie bisher 500 Gramm plötzlich nur noch 400 – bei gleichem Aussehen und gleichem Preis. Dies entspricht einer versteckten Preiserhöhung um 25 Prozent. Wäre dieser Aufschlag an der Preisauszeichnung ersichtlich, würde der Konsument möglicherweise zu einem vergleichbaren Produkt greifen. Also bedient sich der Anbieter lieber einer Mogelpackung. Die Liste solcher Konsumententäuschungen lässt sich nach Auskunft der Verbraucherschützer beliebig verlängern.
Eine wesentliche Ursache der „Inflation durch Schrumpfung“ sehen Marktkenner in der sinkenden Kaufkraft vieler Verbraucher. Die Inflation sei durch die Energiekrise und den Ukraine-Krieg 2022 stark angeheizt worden, heißt es zur Erklärung. Doch diese sogenannte Geldentwertung betrifft demnach nicht nur die Verbraucher, sondern auch die Unternehmen. Letztere reagieren darauf mit Preiserhöhungen, um keine Verluste zu schreiben. Das kommt jedoch bei den Konsumenten in der Regel nicht gut an und so verringert man lieber die Produktmenge. Und um dies zu kaschieren, greifen die betreffenden Anbieter zur Mogelpackung.
Verbraucher fühlen sich getäuscht
Solche indirekte Preiserhöhungen stellen für 81 Prozent der im Rahmen einer aktuellen Studie des Projekts Lebensmittelklarheit Befragten eine Täuschung dar. Das vom Bundesernährungsministerium (BMEL) geförderte Projekt Lebensmittelklarheit setzt sich seit 2010 für eine verbraucherfreundlichere Kennzeichnung von Lebensmitteln ein. Wie die jüngste Untersuchung der Initiative zeigt, gilt diese Verbraucherwahrnehmung sowohl für Shrinkflation, also die Veränderung des Inhalts bei gleichbleibendem oder steigendem Preis, als auch für „Skimpflation“, sprich den Austausch von hochwertigen Zutaten durch kostengünstigere Inhaltsstoffe.
Ein zentrales Problem der Verbraucherschützer bei diesen Strategien ist, dass die Mogelpackungen in den Supermarktregalen oft nicht oder nur schwer auszumachen sind. Deshalb plädieren die Verbraucherorganisationen entsprechend den Wünschen der Konsumenten dafür, dass Mogelpackungen mit Warnhinweisen gekennzeichnet werden sollten. Dieses Ansinnen wird von der jüngsten Studie des Projekts Lebensmittelklarheit gestützt: In der hierfür durchgeführten Befragung sprachen sich mehr als acht von zehn Befragten (87 Prozent) dafür aus, dass Unternehmen gut sichtbar auf den Verpackungen darauf hinweisen sollten, wenn sich die Inhaltsmenge ändert. Bei einer Änderung der Zutaten ist demnach die Zustimmung mit 86 Prozent ähnlich groß. Wenn die Änderung durch einen Hinweis ersichtlich wäre, empfände die Mehrheit der Befragten dies als fair: 68 Prozent bei Shrinkflation, 65 Prozent bei Skimpflation. Der Vzbv fordert daher, dass Mogelpackungen für mindestens sechs Monate mit einem Warnhinweis auf der Verpackung gekennzeichnet werden müssen.
Dagegen weist der Lebensmittelverband Deutschland als Spitzenorganisation der deutschen Lebensmittelwirtschaft in der aktuellen Diskussion um „Mogelpackungen“ bei Lebensmitteln darauf hin, dass die geltenden gesetzlichen Vorgaben der Lebensmittelinformations-Verordnung (LMIV) sowie der Preisangaben-Verordnung schon ausreichend Transparenz bei Lebensmittelverpackungen sicherstellen würden.
Produzenten: gesetzliche Vorgaben reichen aus
Nach der LMIV müssten vorverpackte Lebensmittel eine gut sichtbare Nettofüllmengenangabe tragen, die angibt, wie viel tatsächlich enthalten ist, argumentiert der Branchenverband. Und nach der Preisangabenverordnung sei immer der Grundpreis anzugeben. Dieser mache deutlich, was ein Lebensmittel auch unabhängig von der konkreten Füllmenge „kostet“, da sich die Angabe immer auf ein Kilogramm/Liter bzw. 100 Gramm/Milliliter bezieht. Mit diesen Informationen könnten die Verbraucher Preise und Mengen unterschiedlicher Produkte immer verlässlich vergleichen, meint der Lebensmittelverband.
Eine Veränderung bzw. ein Austausch von Zutaten könne bei einer krisenbedingten Rohstoffverknappung auch durchaus marktgetrieben sein, gibt der Verband weiter zu bedenken. Dies werde durch die Zutatenliste dargestellt. Der Branchenverband betont in dem Zusammenhang das eigene Interesse der Hersteller, das Vertrauen der Kunden zu erhalten und dass die Täuschung der Verbraucher immer verboten sei. Daher würden alle Kennzeichnungselemente wie Mengenangaben durch die Lebensmittelüberwachung kontrolliert und auf ihre Richtigkeit geprüft.
Links
- https://www.vzbv.de/pressemitteilungen/studie-zeigt-verbraucherinnen-wuenschen-sich-warnhinweis-auf-mogelpackungen
- https://www.verbraucherzentrale.de/wissen/lebensmittel/kennzeichnung-und-inhaltsstoffe/mogelpackungen-was-hinter-luftnummern-und-versteckten-preiserhoehungen-steckt-11707
- https://www.fr.de/verbraucher/supermarkt-veraeppeln-sieben-pringles-cremissimo-nesquik-mogelpackungen-die-uns-2024-im-zr-93403363.html
- https://www.lebensmittelverband.de/de/presse/pressemitteilungen/20241108-gesetzliche-vorgaben-sorgen-fuer-transparenz-bei-lebensmittelverpackungen