
Nach Wiens Worten sieht die BaFin die deutsche Versicherungsbranche insgesamt solide aufgestellt. Doch das Umfeld, in dem die Versicherer agieren müssen, bezeichnete sie als „äußerst anspruchsvoll“. Denn die wirtschaftliche Entwicklung sei unsicher und die Risiken der Geopolitik seien weiterhin hoch, erläuterte Wiens. Hinzu kämen Bedrohungen für die IT-Infrastruktur und die Cyber-Sicherheit.
Um den Schutz der Versicherteninteressen zu stärken, will die BaFin ferner ihre Strategie beim Thema Wohlverhalten weiterentwickeln, wie Wiens ankündigt. Die BaFin hatte im August vergangenen Jahres erste Ergebnisse ihrer Prüfungen zu wohlverhaltensaufsichtlichen Aspekten bei kapitalbildendenden Lebensversicherungen bekannt gegeben. Danach boten einige Produkte der Branche schlichtweg keinen angemessenen Kundennutzen.
Kundennutzen ausreichend berücksichtigen
Im Mai 2023 veröffentlichte die BaFin diesbezüglich ein Merkblatt zu wohlverhaltensaufsichtlichen Aspekten bei kapitalbildenden Lebensversicherungsprodukten. Darin legte sie dar, was sie von den Unternehmen in dieser Hinsicht erwartet. Wie die Behörde betont, soll die Wohlverhaltensaufsicht dafür sorgen, dass neben der Stabilität des Versicherers, die im Fokus der Solvenzaufsicht steht, auch der Kundennutzen der Produkte ausreichend berücksichtigt wird.
Das Thema Lebensversicherungen ist für die BaFin nach eigenen Angaben deshalb von Bedeutung, weil diese Produkte für viele Verbraucherinnen und Verbraucher ein wichtiger Baustein ihrer Altersvorsorge sind. Daher habe hier der Kundennutzen im Fokus der Versicherungsaufsicht zu stehen. Zuvor hatten sich für die Finanzaufsichtsbehörde nach einer einschlägigen Abfrage Hinweise auf erhebliche Defizite offenbart. Daraufhin überprüfte die BaFin im Rahmen der Stärkung der Wohlverhaltensaufsicht im Versicherungssektor zwischenzeitlich mehrere Anbieter und Produkte, die besonders auffällig waren. Dabei handelte es sich demnach um Fälle, in denen etwa hohe Kosten die Rendite von Versicherungsanlageprodukten zulasten des Kundennutzens schmälerten.
Im Zuge dessen untersuchte die BaFin 13 Lebensversicherer und somit mehr als 20 Prozent des Marktes genauer, wie sie betont. Schwerpunkt hierbei waren Produkte zur privaten Altersvorsorge. Ergebnis: Die Versicherungsaufsicht erreichte „nennenswerte Verbesserungen“ für die Kunden. So wurden einige Produkte, die keinen angemessenen Kundennutzen boten, vom Markt genommen, wie die Behörde berichtet. Darüber hinaus sollen Kostensenkungen im Bestand sowie rückwirkende Kompensationsmaßnahmen erzielt worden sein.
Nun will sich das Aufsichtsorgan vor allem Unternehmen mit hohen Stornoquoten genauer ansehen. „Außerdem wollen wir im Zuge der Wohlverhaltensaufsicht auch andere Sparten in den Blick nehmen,“ kündigt Wiens an. Denn der Grundsatz, dass Produkte einen angemessenen Kundennutzen bieten müssen, gelte universell.
Darüber hinaus beabsichtigt die Versicherungsaufsicht, sich zusätzlich zu den Aufsichtsthemen 2025 auch mit drei wichtigen Regulierungsvorhaben auseinanderzusetzen: der laufenden Überprüfung von Solvency II, der neuen Richtlinie zur Sanierung und Abwicklung von Versicherungsunternehmen sowie der Verordnung über Künstliche Intelligenz (KI).
Zunehmende Bedrohung durch Cyberangriffe
Jüngst warnte die BaFin Banken und Versicherer zudem ganz konkret vor Cyberangriffen. Die Bedrohung durch Cybervorfälle sei weltweit sehr hoch und nehme weiter zu, auch aufgrund der angespannten geopolitischen Lage, zitiert der Tagesspiegel BaFin-Präsident Mark Branson. Daher fordert die Finanzaufsicht Banken und Versicherer zu mehr Vorsorge gegen die wachsenden IT-Risiken auf. Denn viele Unternehmen des Finanzsektors und ihre zentralen Dienstleister seien Teil der kritischen Infrastruktur – „und damit ein attraktives Ziel für staatlich veranlasste Angriffe“, so Branson. In den ersten drei Quartalen 2024 sollen bei der BaFin 258 Meldungen über IT-Vorfälle bei Zahlungsdiensten eingereicht worden sein und damit deutlich mehr als in den Vorjahren, wie der Tagesspiegel berichtet.
Nach Einschätzung der BaFin wächst die Bedrohung durch Cyberkriminalität auch wegen der vielfältigen neuen technologischen Möglichkeiten, nicht zuletzt aufgrund Künstlicher Intelligenz (KI). „Natürlich setzen Kriminelle solche Technologien ebenfalls ein. Zum Beispiel, um neue Angriffsmethoden oder Schadcodes zu entwickeln“, sagte Branson laut dem Bericht. Vor diesem Hintergrund fordert die BaFin die Finanzinstitute auf, ihre starken Erträge des Jahres 2024 zu nutzen, um weiter in die Sicherheit ihrer IT zu investieren. „Das erwarten wir und auch ihre Kundinnen und Kunden“, mahnt der Bafin-Chef die Branche.
Links
- https://www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Fachartikel/2024/bafin_fachartikel_wohlverhalten.html
- https://www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Pressemitteilung/2024/pm_2024_11_20_VA_Jahreskonferenz_2024.html;jsessionid=2AD4550E23AAA7E8BCBD543A236185FE.internet992
- https://background.tagesspiegel.de/it-und-cybersicherheit/briefing/bafin-warnt-banken-und-versicherer-vor-cyberangriffen