Verbraucherschützer erstreiten Urteil gegen Restschuldversicherer

Restschuldversicherungen, mitunter auch als Ratenschutzversicherungen bezeichnet, werden Privatkunden sehr häufig bei Abschluss eines Verbraucherdarlehensvertrages mit vermittelt. Diese Policen sollen etwa im Fall von Arbeitslosigkeit oder Arbeitsunfähigkeit die Raten für einen laufenden Kredit für einen bestimmten kurzen Zeitraum übernehmen, meist für ein Jahr. Ob die Restschuldversicherung bei mitversicherter Arbeitslosigkeit oder Arbeitsunfähigkeit aber überhaupt einspringt, sei fraglich, warnen die Verbraucherschützer. Denn oft enthielten die Vertragsbedingungen umfangreiche Ausschluss- und Wartezeitklauseln sowie sogenannte Karenzzeiten.

Viele Ausschlussklauseln

Demnach zahlen einige Restschuldversicherungen zum Beispiel nur

  • nach Ablauf einer Wartezeit und zusätzlich einer Karenzzeit,
  • für sehr begrenzte Zeiträume, häufig nur für zwölf Monate,
  • bis zu einer erreichten Obergrenze, nicht aber immer bis zur Genesung oder neuen Anstellung,
  • im Falle der Arbeitslosigkeit nur bei unbefristeten Arbeitsverträgen,
  • bei nicht vorher bekannten Erkrankungen.

Eine dieser Ausschlussklauseln, um die es in dem Rechtsstreit mit der SOGECAP vor dem Hamburger Landgericht ging, lautet: „Der Versicherungsschutz ist ausgeschlossen bei psychischen Erkrankungen.“ Der Ausschluss psychischer Erkrankungen sei in derartigen Versicherungen sehr verbreitet und spiele in der Praxis eine große Rolle, betont die Verbraucherzentrale NRW. Denn mehr als ein Drittel aller Menschen, die vorzeitig aus dem Beruf ausscheiden, tun dies wegen psychischer Erkrankungen. Ähnlich soll die Quote bei Arbeitsunfähigkeit liegen.

„Wir halten die Ausschlussklausel ,psychische Erkrankungen‘ in Restschuldversicherungsverträgen des Versicherers SOGECAP für unwirksam“, sagt die zuständige Versicherungsexpertin der Verbraucherzentrale NRW, Rita Reichard. „Alle Versicherten, die in der Vergangenheit Ansprüche wegen psychischer Erkrankungen geltend gemacht haben, bekamen vermutlich eine Ablehnung“, so Reichard.

Das Landgericht Hamburg beurteilte diesen Ausschluss nun ebenfalls als abschlägig. Denn die vorliegende Ausschlussklausel „psychische Erkrankungen“ sei im Gegensatz zum Ausschluss „behandlungsbedürftige psychische Erkrankungen“ zu weit gefasst, heißt es zur Begründung. Außerdem greife die Klausel nicht bei behandlungsbedürftigen psychischen Erkrankungen. Nach der Ausschlussklausel reiche auch eine sogenannte Mitursächlichkeit aus, so die Richter. Dies bedeutet: Bereits wenn die psychische Erkrankung nur eine Begleiterkrankung einer anderen Erkrankung ist, kann der Versicherer die Leistung verweigern. Dadurch würden die Versicherungsnehmer unangemessen benachteiligt, entschied das Gericht.

Verweigerte Leistungen erneut einfordern

Das Urteil der Hamburger Richter gegen SOGECAP sei positiv für Menschen mit Restschuldversicherungen, stellt der Verbraucherverband fest. Allerdings ist es noch nicht rechtskräftig. Denn die Versicherung hat Berufung eingelegt. Deshalb muss SOGECAP den geltend gemachten Folgenbeseitigungsanspruch auch zunächst nicht umsetzen. Damit kommt der Versicherer auch erst mal umhin, alle Versicherten zu informieren, „dass der Risikoausschluss nicht wirksam ist und vergangene Leistungsverweigerungen keinen Bestand haben“, bedauert Reichard.

Trotz der eingelegten Berufung sollten betroffene Versicherte jedoch versuchen, abgelehnte Leistungen nochmals beim Versicherer einzufordern, empfehlen die Verbraucherschützer. Auf jeden Fall könnten Versicherungskunden der SOGECAP versuchen, unter Berufung auf das Urteil den Versicherer zum Verzicht auf die sogenannte Einrede der Verjährung aufzufordern, bis die rechtliche Frage geklärt ist.

Unabhängig vom letztendlichen Ausgang dieses Rechtsstreits rät die Verbraucherzentrale NRW ganz allgemein von Restschuldversicherungen ab. Begründung: Sie sind in der Regel sehr teuer, schließen Leistungen in vielen Fällen aus, zahlen nur für einen begrenzten Zeitraum und haben zudem Wartezeitklauseln. Daher bemängele der Verband diese Angebote seit Jahren, erklärt Rita Reichard. Denn statt in eine Absicherung führten Restschuldversicherungen viele Menschen in die Verschuldung bis hin zur Insolvenz, warnt die Expertin. Sie rechtfertigt ihre Kritik damit, dass eine Restschuldversicherung in der Regel durch einen hohen Einmalbeitrag mit dem Verbraucherdarlehen mitfinanziert werde, was die Darlehenssumme erhöhe.

Zudem würden die Kosten für die mitfinanzierte Restschuldversicherung bei der Angabe des effektiven Jahreszinses nicht berücksichtigt, fügt Reichard hinzu. Der tatsächliche Effektivzins werde also nicht genannt. Nach den Erfahrungen der Verbraucherberater führt die höhere monatliche Ratenbelastung häufig nach kurzer Laufzeit zu finanziellen Engpässen. In der Folge wenden sich die Betroffenen wieder an ihre Bank und erhalten das Angebot, ein neues, höheres Darlehen mit neuer (teurerer) Restschuldversicherung unter Ablösung des alten Kredits abzuschließen, berichtet die Verbraucherorganisation. Diese „Kettenratenkredite“ mit immer wieder neuer Restschuldversicherung führten dann über die Jahre zu einer hohen Verschuldung.

Verfassungsbeschwerde gegen „Cooling-off“

Die Versicherungswirtschaft auf der anderen Seite möchte sich das lukrative Geschäft mit den Restschuldpolicen kein bisschen einschränken lassen. Deshalb zieht der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) zusammen mit 22 Unternehmen der Branche per Verfassungsbeschwerde gegen die „Cooling-off-Phase“ vor das Bundesverfassungsgericht. Denn nach den Vorgaben des „Zukunftsfinanzierungsgesetzes“ sollen Restschuldversicherungen ab Januar 2025 frühestens eine Woche nach den entsprechenden Darlehensverträgen abgeschlossen werden dürfen.

Dies ist aus Sicht des GDV und der klagenden Anbieter allerdings nicht mit der europäischen Verbraucherkreditrichtlinie in Einklang zu bringen und somit europarechtswidrig. Durch das Abschlussverbot könnten Kunden, die einen Bankkredit etwa für ein neues Auto aufnehmen, diesen erst eine Woche später versichern, argumentiert der GDV. So werde diesen Verbrauchern die Wahl genommen, sich sofort zu versichern, und es entstehe eine Schutzlücke, begründet der Branchenverband seinen Widerstand.

Der Verbraucherverband wiederum rät Kunden, eine Restschuldversicherung nicht sofort abzuschließen, sondern sich Zeit zum Überlegen zu nehmen.

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