„Schubladen-Denken darf nicht zur ungerechtfertigten Verweigerung von Krediten führen“

Wer sich bei einem Kreditinstitut Geld leihen will, braucht dafür eine positive Beurteilung seiner Kreditwürdigkeit. Dafür ziehen Banken in der Regel Informationen von Wirtschaftsauskunfteien heran. Diesen kommt somit bei einer Kreditentscheidung die wichtige Rolle des Datenlieferanten zu: Die Auskunfteien stellen ihren Unternehmenskunden Informationen zu Zahlungsausfällen und Zahlungsverzügen des Antragstellers in der Vergangenheit und sogenannte Bonitätsscores zur Verfügung. Die Angaben können die Kreditgeber in ihre Finanzierungsentscheidung einfließen lassen – was vielfach auch geschieht.

Laut IFF sollen nach Schätzungen von Banken und Onlinehändlern rund sechs Prozent aller Kreditablehnungen ungerechtfertigt sein. Davon sind demnach vor allem junge und eingewanderte Menschen betroffen. Denn bei ihnen kommt eine „klassische“ Ursache nicht bewilligter Kredite zum Tragen: eine fehlende Kredithistorie. Sie ist Teil einer üblichen Bonitätsprüfung, wie sie Kreditinstitute durchführen, um die Wahrscheinlichkeit abschätzen zu können, ob ein Kunde seinen Kredit planmäßig zurückbezahlen wird bzw. wie groß das sogenannte Ausfallrisiko ist. Eine möglichst zutreffende Bonitätsbeurteilung ist für Kreditinstitute insofern von erheblicher Bedeutung, weil Zahlungsausfälle teuer und mit einem hohen Aufwand verbunden sind. Und anders herum: Wer eine gute Bonität vorweisen kann, dem winken bei einer Kreditvergabe häufig günstigere Zinsen.

Ein anderer typischer Grund für ungerechtfertigte Kreditablehnungen kann eine bereits beglichene Rechnung sein, die irrtümlich als Zahlungsausfall eingetragen wird. Zudem gibt es besondere Ausnahmesituationen, die Zahlungsausfälle nach sich ziehen können ohne Aussagekraft bezüglich eines zukünftigen Zahlungsverhaltens zu haben: etwa in Form eines unvorhergesehenen oder längeren Krankenhausaufenthalts.

„False negatives“

Bei der Prüfung der Kreditwürdigkeit eines Antragstellers unterstützen private Wirtschaftsauskunfteien potentielle Kreditgeber häufig mit Informationen über das Zahlungsverhalten von Kunden. Dabei kann es immer wieder zu fehlerhaften Prognosen kommen, etwa wenn eine hinreichend gute Kreditwürdigkeit bescheinigt wird, obwohl die Voraussetzungen dafür de facto nicht gegeben sind. Das nennt man in Finanzkreisen „false positives“. Diesen stehen sogenannte „false negatives“ gegenüber, die ungerechtfertigten Kreditablehnungen.

Letztere können passieren, wenn etwa die Basis für die Bonitätsbewertung Informationen sind, welche für die betreffende Person keine eindeutige Aussagekraft über das zukünftige Zahlungsverhalten haben, wie das IFF erläutert. Ein weiterer Prognosefehler, insbesondere bei automatischen Kreditwürdigkeitsprüfungen, liegt demnach in der Vorgehensweise statistischer Verfahren begründet, die auf der Annahme basiert, dass die in den historischen Daten identifizierten Muster repräsentativ für den jeweiligen Antragsteller sind. Eine typische Ursache für „false negatives“ sind somit fehlerhafte oder fehlende Daten bzw. eine fehlende Differenzierung der zugrunde liegenden Informationen.

Hierzu zitiert das IFF Angaben der Auskunftei Schufa, denen zufolge sich im vergangenen Jahr 31 Prozent der Einzelanliegen von Verbrauchern auf Negativmerkmale bezogen haben sollen. Davon waren demnach 15 Prozent der Beschwerden berechtigt, d. h. die Schufa korrigierte diesen Datenbestand. Daran werde insbesondere die Bedeutung von Transparenz zur Vermeidung von unberechtigten Kreditablehnungen deutlich, betont das IFF und fordert: Unternehmen müssten Verbraucher rechtzeitig über Einträge informieren, sodass diese die Möglichkeit erhalten, fehlerhafte Einträge korrigieren zu können. Zudem sollten Wirtschaftsauskunfteien Verbrauchern kostenlosen Zugang zu den über sie gespeicherten Daten, auch zu den Negativmerkmalen, ermöglichen. Darüber hinaus empfiehlt das Institut, Prognosen zum Rückzahlungsverhalten durch zusätzliche Positivdaten zu verbessern.

Fehlprognosen auf Basis von Durchschnittsverhalten

Ein weiteres Problemfeld sieht das IFF bei den Bonitätsscores der Wirtschaftsauskunfteien. Diese basierten auf Durchschnittsverhalten und könnten daher für Verbraucher auf individueller Ebene zu Fehlprognosen führen, kritisieren die Autoren der Studie. Sie plädieren deshalb ferner dafür, die Kriterien, die zur Berechnung eines Scores führen, offenzulegen und Maßnahmen zu ergreifen, um systematische Benachteiligungen bestimmter Personengruppen zu vermeiden.

Als eine wesentliche Empfehlung in diesem Zusammenhang heben die Experten eine Segmentierung des Prognosemodells für verschiedene Personengruppen bzw. nach verschiedenen Lebensphasen hervor. Gegebenenfalls seien hierfür zusätzliche Informationen über Verbraucher erforderlich, räumt das IFF ein. Doch dies würde nach Ansicht des Instituts im Einklang stehen mit dem allgemeinen Gleichheitsprinzip, wenn mit der Erhebung von alternativen Daten Diskriminierung oder „false negatives“ verhindert werden. Letztlich dürfe Schubladen-Denken nicht zur ungerechtfertigten Verweigerung von Krediten führen, fassen die Autoren der IFF-Studie die Ergebnisse ihrer Untersuchung zusammen.

Links

Den Recherche-Tipp jeden Mittwoch als E-Mail

Hinweise zum Datenschutz: Bei der Anmeldung werden verschiedene personenbezogene Daten erhoben. Personenbezogene Daten sind Daten, mit denen Sie persönlich identifiziert werden können. Die Datenschutzerklärung erläutert, welche Daten wir erheben und wofür wir sie nutzen. Sie erläutert auch, wie und zu welchem Zweck das geschieht. Die Austragung aus unseren Verteilern ist jederzeit mit einer formlosen E-Mail an info@goslar-institut.de möglich.