
Automatisierte Bonitätsbewertungen dienen vielen Unternehmen dazu, das Risiko einzuschätzen, ob ein Kunde zahlungsfähig bzw. kreditwürdig ist. Solche sogenannten Score-Werte werden von Banken, Versandhändlern, Energieunternehmen und anderen Vertragspartnern unter anderem bei Entscheidungen über Kredite, Mobilfunkverträge sowie weitere geschäftliche Vereinbarungen eingeholt. In Deutschland ist die Schufa eine der bekanntesten Auskunfteien, die Bonitätsbewertungen erstellt. Diese kommen in der Regel mithilfe eines Algorithmus zustande. Nach dem Urteil der Luxemburger Richter (Az C-203/22) steht Verbraucherinnen und Verbrauchern Auskunft darüber zu, auf welcher Grundlage ihre Bonitätseinstufung erfolgte.
„Die betroffene Person hat das Recht, zu erfahren, wie die sie betreffende Entscheidung zustande kam“, zitiert „Die Zeit“ aus dem Spruch des Gerichtshofs. Das Verfahren muss demnach so beschrieben werden, „dass die betroffene Person nachvollziehen kann, welche ihrer personenbezogenen Daten im Rahmen der automatisierten Entscheidungsfindung auf welche Art verwendet wurden“. Nach Ansicht der EuGH-Richter stellt eine bloße Übermittlung eines Algorithmus keine ausreichend präzise und verständliche Erläuterung dar. Dagegen könnte es aber unter anderem ausreichen, mitzuteilen, in welchem Maß andere Daten zu einem anderen Ergebnis geführt hätten, berichtet „Die Zeit“.
Risikoprognose eines Zahlungsausfalls
Das Ziel einer Bonitätsauskunft sei es, einen Geschäftspartner – egal, ob es sich dabei um ein Unternehmen oder eine Privatperson handelt – besser einschätzen zu können, erläutert die deutsche Wirtschaftsauskunftei Creditreform in Neuss. Anhand dieser Bewertung sollen Unternehmen bei einer Geschäftsanbahnung die Wahrscheinlichkeit abschätzen können, ob ihr potentieller Vertragspartner voraussichtlich seinen Verpflichtungen nachkommen kann bzw. wird. Das ist zum Beispiel besonders wichtig, wenn Waren oder Dienstleistungen auf Rechnung oder mit langen Zahlungszielen angeboten werden.
Im Fall der Österreicherin, die einen Handyvertrag abschließen wollte, basierte die Ablehnung des Mobilfunkbetreibers auf einer negativen Score-Bewertung der Auskunftei Bisnode Austria, die inzwischen unter Dun & Bradstreet Austria firmiert. Es ging dabei um monatliche Zahlungen von zehn Euro. Dabei ergaben offengelegte Daten eigentlich einen guten Score-Wert der Frau. Darüber hinausgehende Auskunft erteilte das Kredit-Scoring-Unternehmen nicht. Für diese Entscheidung wollte die Betroffene jedoch eine plausible Begründung erfahren und klagte. Das österreichische Bundesverwaltungsgericht monierte daraufhin, Dun & Bradstreet habe gegen die europäische Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) verstoßen, weil der Kundin keine „aussagekräftigen Informationen über die involvierte Logik“ der automatisierten Entscheidung gegeben wurden. Der EuGH sollte nun abschließend klären, welche Informationen Unternehmen in solchen Fällen offenlegen müssen.
Transparenz-Anforderungen
Die Luxemburger Richter stellten hierzu nun fest, dass Verbraucher ein Recht darauf hätten, nachzuvollziehen, welche ihrer Daten in dem automatisierten Verfahren wie verwendet wurden. Danach haben die Verantwortlichen das Verfahren so zu beschreiben, dass Verbraucherinnen und Verbraucher dies verstehen können. Die DSGVO formuliere klare Transparenz-Anforderungen an automatisierte Entscheidungsprozesse, heißt es in der Entscheidung des EuGH. Gemäß Art. 22 DSGVO müssten Unternehmen Betroffenen entscheidende Informationen über die verwendete Logik einer automatisierten Entscheidung bereitstellen. Es müsse eine Auskunft darüber stattfinden, welche personenbezogenen Daten in die Entscheidung eingeflossen sind und wie diese Daten gewichtet und verarbeitet wurden, erläutert der „Datenschutzticker“. Zudem soll es Informationen darüber geben, in welchem Maße eine Änderung bestimmter Parameter gegebenenfalls das Ergebnis beeinflusste.
Die Pflicht zur Transparenz erstreckt sich demnach allerdings nicht auf die Offenlegung des gesamten Algorithmus. Denn der EuGH ließ als Einschränkung zu, dass es unter Umständen ausreichen könne, Betroffene darüber zu informieren, wie eine Abweichung bei den Daten zu einem anderen Ergebnis geführt hätte. Lediglich einen Algorithmus zu übermitteln, ist aus Sicht des Gerichtshofs aber nicht genug.
Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) begrüßte, dass der EuGH mit seinem Urteil nun für nachvollziehbare Scoring-Ergebnisse sorge. Mit dem Urteil sei ein wichtiger Meilenstein im Verbraucherschutz beim Bonitäts-Scoring erreicht, erklärte die Teamleiterin Finanzmarkt beim vzbv, Dorothea Mohn. „Verbraucher:innen können von Auskunfteien eine nachvollziehbare Erklärung über ihren Bonitäts-Score erwarten. Diese Erklärung muss Informationen über die verwendeten Kriterien und deren Gewichtung umfassen“, fasste Mohn den Richterspruch zusammen. Die Verbraucherschützerin bemängelte allerdings zugleich, dass Transparenz nur bedingt helfe, „wenn bestimmte Verbrauchergruppen bei der Datenverarbeitung weiterhin strukturell benachteiligt werden“. Deshalb sollten Scores nicht anhand von Merkmalen gebildet werden dürfen, die nicht unmittelbar etwas mit dem Zahlungsverhalten zu tun haben, fordert der vzbv.
Scoring nachvollziehbar machen
Aus Sicht der deutschen Schufa trägt das aktuelle EuGH-Urteil dazu bei, „Scoring für Verbraucherinnen und Verbraucher transparenter und verständlicher zu machen, wenn Unternehmen ihre Entscheidung maßgeblich auf Basis eines automatisiert berechneten Scores treffen“. Nach einer ersten Durchsicht des Urteils erklärte die Auskunftei, sie sei der Ansicht, diese Anforderungen bereits heute zu erfüllen. Man informiere Verbraucherinnen und Verbraucher im Rahmen der kostenlosen Datenkopie nach Art. 15 DSGVO nicht nur darüber, welche Daten zu einer Person gespeichert würden, sondern auch darüber, welche Unternehmen in den vergangenen zwölf Monaten Scores anfragten und welche Scores übermittelt wurden, inklusive Erläuterungen hierzu, bekräftigt die Schufa. Darüber hinaus stelle sie umfangreiche Informationen zur Verfügung, die das Scoring erläutern.
Dieses Jahr will die Auskunftei noch einen Schritt weitergehen, wie sie bereits 2024 ankündigte: mit der Einführung eines neuen Schufa-Scores. Er soll demnach eine hohe Prognosegüte zum Zahlungsverhalten aufweisen und gleichzeitig für Verbraucherinnen und Verbraucher noch einfacher nachvollziehbar sein.
Links
- https://www.stern.de/news/eugh–verbraucher-haben-recht-auf-nachvollziehbare-information-ueber-bonitaetswert-35503672.html
- https://www.mdr.de/nachrichten/deutschland/politik/bonitaet-bewertung-schufa-scoring-kreditwurdigkeit-102.html
- https://www.zeit.de/wirtschaft/2025-02/eugh-bonitaetsbewertung-schufa-urteil-transparenz
- https://www.vzbv.de/meldungen/eugh-urteil-sorgt-fuer-nachvollziehbare-scoring-ergebnisse
- https://www.schufa.de/newsroom/schufa/schufa-eugh-urteil-score-transparenz/
- https://www.datenschutzticker.de/2025/03/eugh-begruendung-fuer-automatisierte-bonitaetsbewertung/