
Aufgabe des Europäischen Rechnungshofs als unabhängige externe Rechnungsprüfungsstelle der EU ist es grundsätzlich, die Interessen der europäischen Steuerzahler/innen unter anderem im Hinblick auf ordnungsgemäße Verwaltung und Verwendung von EU-Finanzmitteln zu wahren. Dazu erstellt der Hof Berichte mit Prüfergebnissen und Empfehlungen für die Europäische Kommission und die nationalen Regierungen.
Mit der „Vision Zero“ schuf die Brüsseler Kommission einen gemeinsamen Rahmen für die Straßenverkehrssicherheit in den Mitgliedstaaten. Dazu gehören Maßnahmen wie sichere Straßen und Straßenränder, sichere Fahrzeuge, mehr finanzielle Unterstützung und sichere Teilnahme am Straßenverkehr. Zunächst soll demnach die Zahl der Toten und Schwerverletzten im Straßenverkehr bis 2030, gemessen am Referenzjahr 2020, halbiert und bis 2050 dann auf möglichst null gesenkt werden. Diesem Ziel hat sich auch die Bundesregierung in ihrem Koalitionsvertrag und im Verkehrssicherheitsprogramm 2011-2020 verschrieben. Im Mai 2021 riefen Bund, Länder und Gemeinden daher den „Pakt für Verkehrssicherheit“ ins Leben. Er sieht sogar vor, dass bis 2030 die Zahl der Verkehrstoten hierzulande um 40 Prozent sinken soll.
Doch zurück zur EU: In der Union kamen im Jahr 2022 nach Angaben des Rechnungshofs 20.600 Menschen bei Straßenverkehrsunfällen ums Leben. Das entspricht einem Plus von drei Prozent im Vergleich zu 2021, das mit einem Wiederanstieg des Verkehrsaufkommens nach der Covid-Pandemie in Verbindung gebracht wird. Grund genug für den Hof, seine Prüfer eine Untersuchung zur Straßenverkehrssicherheit durchzuführen zu lassen. Sie sollten bewerten, ob die EU ihre „Vision Zero“-Ziele bis 2030 bzw. bis 2050 voraussichtlich erreichen wird.
Das jetzt veröffentlichte Urteil der Kontrolleure hierzu stimmt nicht eben hoffnungsfroh: Die Kommission habe zwar einen umfassenden Safe-System-Ansatz für die EU mit ambitionierten Zielen für 2030 und 2050 geschaffen, fassen die Prüfer des Rechnungshofs in ihrem Sonderbericht zur „Verwirklichung der EU-Ziele im Bereich der Straßenverkehrssicherheit“ zusammen. Doch in Bezug auf die Maßnahmen der Kommission stellt der Hof Mängel fest. Und die sind offenbar so erheblich, dass es den Verfassern des Sonderberichts „angesichts des derzeitigen Stands der Fortschritte und ohne zusätzliche Anstrengungen der EU und der Mitgliedstaaten“ unwahrscheinlich erscheint, dass die Ziele von „Vision Zero“ erreicht werden können. Nicht umsonst wurde wohl als Unterzeile für den Berichtstitel schon die Aussage gewählt, „Zeit, einen Gang zuzulegen!“ Denn trotz umfassender Anstrengungen seien in den vergangenen Jahren kaum Fortschritte erzielt worden, kritisiert der Europäische Rechnungshof.
Konkret konstatiert der Hof, dass zwar fast alle Mitgliedstaaten Ziele für die Halbierung der Zahl der Todesfälle und Schwerverletzten festlegten. Doch die nationalen Strategien sind nach Einschätzung der Prüfer sowohl in Bezug auf die geplanten Aktivitäten, den Finanzierungsbedarf als auch andere Ziele, die über diejenigen im Zusammenhang mit der Zahl der Todesopfer und Schwerverletzten hinausgehen, „unterschiedlich komplex“. Zudem würden die jeweiligen Ansätze nicht ausreichend überwacht und deckten nicht alle Faktoren ausreichend ab, heißt es weiter.
Als Empfehlungen formuliert der Rechnungshof unter anderem, die Berichterstattung über schwere Verletzungen zu verbessern und Leistungsziele festzulegen. Außerdem sollen die Mitgliedstaaten detailliertere Untersuchungen der Unfallursachen durchführen und weitere Leitlinien für alle Risikobereiche, wie etwa Geschwindigkeit, Trunkenheit am Steuer oder Fahren ohne Sicherheitsgurt, einführen.