Studie: Verkehrswende geht kurzfristig auch ohne Fahrverbote

Den aktuellen Ist-Zustand, die angestrebte (notwendige) Verkehrswende betreffend, beschreibt das Öko-Institut so: Die Emissionen des Verkehrssektors verweilen seit Jahren auf einem hohen Niveau. Die im Bundes-Klimaschutzgesetz definierte Treibhausgasneutralität Deutschlands im Jahr 2045 ist nach aktuellen Prognosen ohne weiteres politisches Handeln nicht einzuhalten. Daher soll das Studienprojekt anhand von zwei Szenarien mögliche Entwicklungen aufzeigen, um die Transformation des Verkehrssektors zu beschleunigen. Hierzu ist aus Sicht der an der Untersuchung beteiligten Wissenschaftler grundsätzlich ein schlüssiges Gesamtkonzept erheblich zielführender als Einzelmaßnahmen.

Zum Hintergrund: Deutschland und die EU vereinbarten 2015 im Rahmen des sogenannten Paris-Abkommens völkerrechtlich, die Erderwärmung im Vergleich zum vorindustriellen Niveau auf deutlich unter zwei Grad Celsius zu begrenzen und Anstrengungen zu unternehmen, sie auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen. In der Folge erließ Deutschland ein eigenes nationales Klimaschutzgesetz (KSG), das die gesetzliche Verpflichtung beinhaltet, die Treibhausgasemissionen (THG-Emissionen) bis zum Jahr 2045 auf Netto-Null zu reduzieren. Aus dieser Vorgabe folge, dass alle Sektoren bereits bis zum Jahr 2030 erheblich die THG-Emissionen reduzieren müssten und langfristig bis zum Jahr 2045 auch der Verkehrssektor treibhausgasneutral zu werden habe, erläutern die Studienautoren.

Weniger Anreiz zur Emissionsminderung

Nach Einschätzung von Peter Kasten, stellvertretender Leiter des Bereichs Ressourcen & Mobilität am Öko-Institut, vermindert das neue Klimaschutzgesetz jedoch „den Anreiz für die Bundesregierung, die Emissionen im Verkehrssektor zu mindern und ihn strukturell auf den Klimaschutz auszurichten. Ohne ein Handeln der Politik müssen wir uns durch den Zukauf von Emissionsminderungen aus anderen EU-Ländern auf Ausgaben im zweistelligen Milliardenbereich bis zum Jahr 2030 einstellen“, mahnt Kasten.

Die Folge dieser Rahmenbedingungen: Im Jahr 2020 konnte der Verkehrssektor aufgrund der Maßnahmen zur Eindämmung des Corona-Virus und der daraus folgenden geringeren Mobilität zwar das Klimaschutzziel einhalten, in den beiden Folgejahren wurden die Zielemissionen des Verkehrs im KSG allerdings deutlich verfehlt, wie das Öko-Institut feststellt. Auch habe der Projektionsbericht 2023 des Umweltbundesamtes aufgezeigt, dass in Deutschland die festgelegten Emissionsziele im Verkehrssektor bis zum Jahr 2030 mit den bestehenden politischen Rahmenbedingungen deutlich verfehlt würden (BReg 2023b). Die angestrebte Treibhausgasneutralität im Jahr 2045 sei somit ohne weitere Klimaschutzbestrebungen im Verkehrssektor zum jetzigen Stand nicht erreichbar, leitet das Öko-Institut aus den genannten Analysen/Berichten ab.

Vor dem Hintergrund plädieren die Verfasser der Studie im Auftrag des UBA als zentrale, schnell wirksame Maßnahmen für die Elektrifizierung des Verkehrs und eine Verlagerung auf klimafreundliche Verkehrsträger wie den öffentlichen Nahverkehr und die Schiene. Im Zentrum sollen dabei sowohl der Hochlauf der Elektromobilität als auch die Stärkung des Öffentlichen Verkehrs und der aktiven Mobilität stehen, wie die Verfasser der Untersuchung hervorheben.

CO2-abhängige Kfz-Steuer

Sie sehen geeignete politische Instrumente für einen klimafreundlichen Verkehr laut der Studie unter anderem in einer Anpassung des Steuersystems, indem beim Neukauf von Autos in Abhängigkeit der CO2-Emissionen der Fahrzeuge eine höhere Kfz-Steuer anfallen soll. Ferner plädieren die Verfasser für höhere Investitionen in klimafreundliche Verkehrsträger und eine CO2-Bepreisung, die einen ausreichend hohen Preis für klimaschädliche Emissionen sicherstellen soll.

Darüber hinaus sollte demnach möglichst zeitnah die Einführung einer fahrleistungsabhängigen Pkw-Maut vorbereitet werden. Mit ihr könnten die Folgekosten des Autofahrens für alle Antriebssysteme bepreist und zukünftig zurückgehende Einnahmen der Energiesteuer ausgeglichen werden, argumentiert Öko-Instituts-Experte Kasten. Er verweist zudem auf eine von Infras durchgeführte volkswirtschaftliche Analyse der vorgeschlagenen Klimaschutzmaßnahmen, die in beiden untersuchten Szenarien einen positiven Effekt auf Wertschöpfung und Beschäftigung in Deutschland zeitigen sollen. Dagegen stünden bei einem Weiter-So im politischen Handeln dem Bundeshaushalt im Verkehrssektor der Studie zufolge langfristig höhere Staatsausgaben als -einnahmen gegenüber.

Vulnerable Gruppen entlasten

Die in der Studie hergeleiteten Szenarien seien aus volkswirtschaftlicher Sicht tragfähig, betonen die Autoren der Untersuchung. In beiden Szenarien sollen demnach zwar schnellere und höhere Investitionen in die Infrastruktur (Energie und Verkehr) sowie das öffentliche Verkehrsangebot notwendig sein. Doch unterm Strich ergebe sich ein positiver Saldo, resümieren die Verfasser. Sie plädieren dafür, dass der Staat einen Teil der ihm verbleibenden Einnahmen an „vulnerable Gruppen“ verteilen sollte.

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