Bereits 2013 hatten die EU-Mitgliedstaaten vereinbart, dass ab 2021 neu zugelassene Pkw in der EU im Schnitt nur noch 95 Gramm CO2 pro Kilometer ausstoßen dürfen. Dieser Wert entspreche einem Verbrauch von 3,6 Liter Diesel bzw. 4,1 Liter Benzin auf 100 Kilometern, erläutert das Bundesverkehrsministerium (BMVI). Dabei bezieht sich diese Vorgabe nicht auf die einzelnen Fahrzeuge, sondern auf die gesamte EU-Fahrzeugflotte eines Herstellers, also auf die ganze Palette an Neuwagen, die Autohersteller jährlich in der EU verkaufen. Dieser sogenannte Flottenwert muss nun in zwei Schritten reduziert werden: bis 2025 um 15 Prozent und bis 2030 um 37,5 Prozent. Für leichte Nutzfahrzeuge ist bis 2025 eine Minderung von 15 Prozent vorgesehen, bis 2030 sind es 31 Prozent. Nach einem festgelegten Verteilungsschlüssel gelten für die einzelnen Hersteller unterschiedliche Vorgaben für die CO2-Absenkung, die sich an der durchschnittlichen Masse der jeweiligen Fahrzeugflotte orientieren, sprich dem Gewicht der Autos.

Während Bundesumweltministerin Svenja Schulze die neuen europaweiten Grenzwerte für die Autoflotten begrüßte, da sie nicht nur gut für den Klimaschutz seien, sondern Verbrauchern künftig auch ein besseres Angebot an sparsamen Fahrzeugen brächten, monierte etwa der ökologisch orientierte Verkehrsclub VCD, dass ambitioniertere CO2-Vorgaben nötig wären, „um den Verkehr auf Klimakurs zu bringen“. Der Verband der Automobilindustrie wiederum sieht durch die neuen CO2-Vorgaben die europäische Automobilindustrie auf ihrem Hauptabsatzmarkt im internationalen Vergleich stärker belastet als ihre Wettbewerber. Denn das von der EU gesetzte CO2-Ziel für Pkw von 95 Gramm im Jahr 2021 sei schon das schärfste weltweit, stellt der Branchenverband fest und verweist darauf, dass bei anderen wichtigen Auto-Nationen wie den USA bis 2020 121 Gramm CO2 je Kilometer vorgeschrieben seien, in China 117 Gramm und in Japan 105 Gramm.

Zudem müssen die europäischen Autohersteller befürchten, dass es für sie teuer wird, wenn sie zu viele „durstige“ Fahrzeuge verkaufen. Denn prinzipiell wird jedes Gramm CO2 zu viel bestraft: mit 95 Euro pro Fahrzeug. Nimmt man den zuletzt ermittelten europäischen Durchschnitt von 118,5 Gramm CO2 pro Kilometer zum Maßstab, blicken die Autoproduzenten somit umfangreichen Forderungen entgegen. Doch gemach, für jedes Fahrzeugmodell wird ein individueller Grenzwert festgelegt, je nach Fahrzeuggewicht des Neuwagens. Dabei gilt: Schwerere Autos dürfen mehr CO2 emittieren. Mit dieser Regelung kommt man den Herstellern großer Autos entgegen. Außerdem werden Modelle, die weniger als 50 Gramm CO2 pro Kilometer ausstoßen, bis 2022 mehrfach angerechnet. Somit entlasten E-Autos die jeweilige Flottenbilanz der Autobauer. Dementsprechend setzt denn jetzt auch das Gros der Branche auf E-Fahrzeuge, um möglichst nah an die neuen strengen CO2-Grenzwerte heranzukommen. Marktbeobachter erwarten deshalb künftig massive Rabattaktionen bei Elektro-Autos. Andere Hersteller präferieren in dem Zusammenhang CO2-sparsame Hybrid-Fahrzeuge.

Welchen Weg auch immer die jeweiligen Konzerne einschlagen, um ihren Flottenverbrauch und damit die CO2-Emissionen ihrer Autos zu minimieren – wem das nicht gelingt, der wird zur Kasse gebeten. Laut einer Studie der Unternehmensberatung PA Consulting soll zu erwarten sein, dass die meisten Autohersteller ihre CO2-Grenzwerte für 2020 nicht werden einhalten können. Hinzu kommt, dass die Corona-bedingten Produktionsstopps es den Produzenten erschweren, die gesteckten CO2-Ziele zu erreichen. Dies würde demnach Strafforderungen in Höhe von insgesamt 14,5 Milliarden Euro nach sich ziehen. Dabei könnten allein auf den VW-Konzern wegen seiner guten Verkaufszahlen Bußgelder von 4,5 Milliarden Euro zukommen, berechneten die Experten. Dieses „Damokles-Schwert“ würde sich dann möglicherweise unterm Strich als Katalysator für die E-Mobilität erweisen.

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