Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte im vergangenen Jahr bereits selbst eingeräumt, dass das Ziel von einer Million E-Autos auf deutschen Straßen bis 2020 nach dem derzeitigen Stand der Dinge nicht zu realisieren sei. Für diese Einschätzung sprechen nackte Zahlen: Statistiker zählten hierzulande zu Beginn dieses Jahres knapp 98.300 reine Elektro- und Hybrid-Autos mit Stecker. Bis Ende August sollen weitere 45.422 solcher Fahrzeuge neu zugelassen worden sein. Dass in diesem Tempo bis 2020 die Marke von einer Million Stromern nicht zu reißen ist, hat auch die Kanzlerin eingesehen – findet dies aber nicht dramatisch, wie sie jetzt in Berlin erklärte. Denn trotz der noch zu flauen Nachfrage nach E-Mobilen sei man mit dem Ausbau der Elektromobilität in Deutschland „auf dem richtigen Pfad“, meint Merkel. Was 2020 nicht zu schaffen sei, werde dann eben 2022 erreicht, sagte sie. Damit bestätigte sie die jüngste Bestandsaufnahme der NPE.

Deren Bericht kommt trotz der Verzögerung auf dem Weg zu der ersten Million Elektroautos zu der positiven Einschätzung, dass Deutschland zu den internationalen Leitmärkten für Elektromobilität aufschließe. Und nicht nur das: Deutschland sei einer der internationalen Leitanbieter für Elektromobilität, stellt die NPE fest. Denn die deutschen Automobilhersteller erreichen demnach mit ihren Elektrofahrzeugen „in den wichtigen internationalen Automobilmärkten einen höheren oder mindestens vergleichbaren Marktanteil gegenüber ihren konventionell betriebenen Fahrzeugen“ – so etwa in Westeuropa und Japan. Zudem stamme weltweit jedes dritte Patent im Bereich Elektromobilität aus Deutschland, konstatiert die Expertenrunde.

Ferner sei Deutschland neben China der Markt mit dem größten verfügbaren Fahrzeugangebot weltweit, heißt es in dem NPE-Bericht weiter. Bis 2020 sollen demnach 100 Elektrofahrzeugmodelle von deutschen Herstellern auf dem Markt sein. Und der weitere Ausbau eines umfassenden Portfolios an Fahrzeugmodellen sei angekündigt und werde umgesetzt, betont die NPE.

Auch beim Marktanteil der Elektromobilität muss Deutschland nach ihrer Meinung „den internationalen Vergleich nicht scheuen“. Einen wesentlichen Beitrag zu dieser Entwicklung schreibt die NPE insbesondere verbesserten Rahmenbedingungen für die Elektromobilität hierzulande und direkten Anreizen wie dem Umweltbonus zu. Aufgrund dessen seien seit dem letzten NPE-Fortschrittsbericht im Jahr 2014 wesentliche Fortschritte in allen Bereichen für die Entwicklung des Leitmarktes der Elektromobilität erzielt worden, meinen die Experten. Dazu führen sie als positives Beispiel an, dass die von ihnen selbst empfohlenen und von der Bundesregierung umgesetzten Förderpakete zum Aufbau von Ladeinfrastruktur deutliche Wirkung zeigen würden.

Allerdings sehen andere Fachleute just in diesem Bereich noch einige Defizite, welche ihrer Ansicht nach das Fortkommen der E-Mobile noch einbremsen. Denn eine flächendeckende Ladeinfrastruktur gilt als eine wichtige Voraussetzung für die Weiterentwicklung der Elektromobilität: Ohne komfortables, leicht zugängliches und ebenso leicht abzurechnendes Laden werde es keine schnelle Etablierung der Elektromobilität geben, sind sich die Experten einig. Laut einer vorläufigen Schätzung soll es in Deutschland Ende 2017 rund 12.500 Ladepunkte gegeben haben, davon über 850 sogenannte DC-(Gleichstrom)-Ladepunkte für schnelles Laden.

Nach Auffassung der NPE ist für eine Million Elektrofahrzeuge die Installation von 70.000 öffentlichen AC-Ladepunkten und 7.100 öffentlichen DC-Ladepunkten sowie rund 1 Million privaten Ladepunkten notwendig. Dabei bezieht sich das Gremium auf eine aktuelle Schätzung des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW). Dem sogenannten NPE-Hochlaufszenario zufolge sollen im Jahr 2025 sogar 130.000 bis 190.00 öffentliche AC-Ladepunkte und 13.000 bis 19.000 öffentliche DC-Ladepunkte benötigt werden.

Die Bundesregierung will bis 2020 für mindestens 100.000 zusätzliche Ladepunkte für Elektrofahrzeuge sorgen. Mit diesem Ziel stellt sie 300 Millionen Euro für die Förderung von Ladeinfrastruktur zur Verfügung. Nach Einschätzung der NPE soll, wenn alle seit Beginn des Förderprogramms zur Ladeinfrastruktur im Jahr 2017 bis zum Jahresende 2018 eingegangenen Förderanträge zum Aufbau von Ladeinfrastruktur umgesetzt werden, eine Verdreifachung der AC-Ladepunkte sowie eine nahezu zehnfache Steigerung der DC-Ladepunkte erreicht werden.

Um in Deutschland einen schnelleren Ausbau der Ladeinfrastruktur als bisher zu erreichen, wird nach Ansicht der Kanzlerin aber auch „eine kommunale Großaktion“ notwendig sein, wie sie jetzt bei einem Symposium zum Thema „10 Jahre Elektromobilität – Zukunft wird Gegenwart“ in Berlin erklärte. Soll heißen, dass sich nicht nur Großstädte, sondern auch mittelgroße und kleinere Städte für dieses Thema interessieren und engagieren. Diesen Appell richtete Merkel ebenfalls an Arbeitgeber und Parkhausbetreiber.

Zum Ausbau der Ladeinfrastruktur seien zeitnah weitere Förderaufrufe notwendig, fordert die NPE in ihrem jüngsten Fortschrittsbericht. Denn der Bedarf an „intelligenter, vernetzter, steuerbarer und damit zukunftsfähiger Ladeinfrastruktur“ werde stetig steigen, prognostizieren die Experten. Das gilt demnach sowohl für öffentlich zugängliche als auch für privat genutzte Ladeinfrastrukturen. Für eine bedarfsgerechte Weiterentwicklung des Ladenetzes hält die NPE deshalb weiterhin öffentliche und private Investitionen für erforderlich. Gerade für den Auf- und Einbau von Ladeinfrastruktur im privaten Bereich, auch auf privaten Betriebshöfen, sollte es demnach Förderprogramme geben – wie im aktuellen Koalitionsvertrag vorgesehen. Allerdings müssten ebenso bessere rechtliche und wirtschaftliche Rahmenbedingungen für Ladeinfrastrukturen in gemeinschaftlich genutztem privatem Parkraum, also zum Beispiel in Mehrfamilienhäusern, geschaffen werden, stellt die Nationale Plattform Elektromobilität fest.

Dass das Ziel von einer Million Elektroautos auf Deutschlands Straßen nun voraussichtlich zwei Jahre später als geplant erreicht wird, erscheint auch dem Vorsitzenden der Nationalen Plattform Elektromobilität, Henning Kagermann, nicht als Problem. Vielmehr sieht er in dem Eine-Million-Ziel „eine gute politische Richtgröße“. Für wichtiger als das genaue Datum hält der NPE-Chef ein stimmiges Gesamtsystem aus Angebot, Infrastruktur, einem klimafreundlichen Energiesystem, Dienstleistungen und rechtlichen Rahmenbedingungen.

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